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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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entstammten der Duft und Geschmack der Papayafrucht derselben Aroma-Familie wie der Duft und Geschmack der Frauen.
    Bartholins Drüsen. Eine nichts sagende Bezeichnung für die winzigen Drüsen im Geschlecht der Frau, die bei sexueller Erregung die Gleitflüssigkeit absondern. Kaspar Bartholin, ein dänischer Anatom, hatte die Drüsen nach sich selbst benannt. Was für ein Wichtigtuer. Warum hatte er ihnen keine romantischere, mystischere Bezeichnung geben können? Alles außer Bartholin. Nun ja, wenigstens hatte er nicht Lipschitz geheißen.
    Masons Geist streifte umher, und er dachte über viele verschiedene Dinge nach; die Erinnerung an Gib machte ihm nicht länger zu schaffen, und es war eine Freude, wieder an die guten alten Zeiten denken zu können.
    Während er an Gib dachte, kam ihm eine merkwürdige Erkenntnis. Kein Mensch hatte ihn je besonders an Gib erinnert – bis er K’un-Chien begegnet war.
    Ja, Meng Po war auf intellektueller und künstlerischer Ebene genauso brillant wie Gib. Und Tree war genauso sinnlich und emotional wie ihr Bruder. Doch K’un-Chien war – was? Es war, als verströmte sie eine gewisse männliche Qualität. Es war seltsam, den Gedanken weiterzuverfolgen, doch er konnte nicht anders. Es schien ganz natürlich zu sein. K’un-Chien war schön. Aber ebenso war sie gut aussehend. Sie hatte definitiv ein starkes männliches Element in sich – und das war es, was ihn so sehr an Gib erinnerte. War das eigenartig?
    Fand er sie maskulin, weil sie groß und muskulös war, weil sie so tapfer war? Wenn ja, lag er völlig falsch. Als könnten kleine, zierliche Frauen nicht tapfer sein. Jeanne d’Arc war nur einen Meter fünfzig groß gewesen. Er hatte vietnamesische Mütter gesehen, klein wie Achtjährige, die mit zwei Kindern auf dem Rücken aus brennenden Dörfern geflohen waren. Nein, es war nicht K’un-Chiens äußere Erscheinung. Genau genommen war Tree sogar ein bisschen größer als sie und ebenso athletisch – und Tree war so weiblich, wie eine Frau nur sein konnte. K’un-Chiens maskuline Art schien vielmehr in ihrem Geist zu liegen, in ihrer Intensität.
    Andererseits überlagerte diese Intensität ihre Weiblichkeit in keinster Weise. Sie war kurvenreicher als Tree, und sie konnte heißblütig, elegant, verrucht und verführerisch sein, ein richtiger Vamp.
    Mason lächelte bei dem Vergleich, der ihm einfiel. K’un-Chien war wie ein Delfin.
    Einige Tiere empfand er als rein feminin. Katzen zum Beispiel. Selbst Kater schienen feminin zu sein, bewegten sie sich doch mit der Anmut und Grazie des Weibchens.
    Andere Tiere wiederum wirkten auf ihn rein maskulin. Hunde, selbst weibliche Hunde, waren immer forsch und jungenhaft.
    Aber Delfine – männliche wie weibliche – schienen von Natur aus androgyn zu sein. Sie vereinten in sich die Qualitäten beider Geschlechter.
    Er gestand sich ein, dass er sich in sie verliebt hatte. Ihm war klar, dass er demnächst mit Tree darüber reden musste. Sehr diplomatisch. Natürlich kam Tree an erster Stelle. Und es war nicht, dass er unbedingt eine zweite Geliebte brauchte; eine sinnliche Frau wie Tree war Geschenk genug für ihn.
    Es war einfach, dass … Nun … K’un-Chien zu kennen hieß, sie zu lieben. Sie war wie eine kostbare Violine, die nie aus dem Geigenkasten genommen worden war und darauf wartete, ihre eigene Musik zu hören.
    »May-Son?«, flüsterte K’un-Chien in der Dunkelheit am Fußende des Betts.
    »K’un-Chien, ich dachte gerade an dich.«
    »Darf ich …?« Sie zögerte. »Ich möchte meine Kleider nicht ablegen, nur neben meinem Mann schlafen.«
    Er schlug die Decke beiseite, und K’un-Chien stieg in das breite Bett und schmiegte sich an ihn. Ihr Haar duftete nach Zimtöl, ihre Haut nach frisch geschältem Mais. Mason lächelte versonnen; sein Körper zwischen seinen beiden Frauen, sein Geist zwischen Traum und Wirklichkeit, sein Herz zwischen Liebe und Verlangen.

37
    Kaiserin Fang-Shih starrte vom Fuße der Südwand zum Rand des vulkanischen Tals hoch. Zwischen den schroffen Felsvorsprüngen spielte der Wind eine leise, traurige Melodie, wie auf einer Bambusflöte. Die freudlose Musik des Morgens und der kühle Nieselregen verdüsterten ihre Stimmung noch mehr. Alles roch nach nassem, kaltem Felsen.
    Die Zweifel, die ihr seit Monaten durch den Kopf gingen, schienen letztlich ein Nest gebaut zu haben: War ihre bittere Selbstaufopferung vergebens gewesen?
    Aus ihren frühesten Erinnerungen entsann sie sich,

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