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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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Grünholz, Zebraholz, Eisenholz, Satinholz, Waldflammen, Vogelzunge, Ochsenauge, Affenschwanzflechte, Hiobsträne, Passionsblume. Aber viele der Pflanzen waren ihr fremd.
    Sie blickte sich nach der Quelle eines hohen, musikalischen Zirpens um und entdeckte einen daumennagelgroßen Frosch mit hell schimmernder roter Haut, die im Dunst wie elektrisches Neon glänzte. Sofort fiel ihr eine Bezeichnung für diese neue Gattung ein: Bufo rudolfensis – Rudolffrosch.
    Nach einer Weile endete der Weg an einer kleinen runden Tür aus einer massiven, pinkfarbenen Jadeplatte. Die Oberfläche war mit den kunstvollen, tief eingearbeiteten Figuren eines wolkenverhüllten Tigers und eines in einem Flammenmeer liegenden Drachen verziert; die Kreaturen wanden sich umeinander, der Kopf der einen den Schwanz der anderen jagend, als führten sie einen Kreistanz auf.
    Der Hauptmann pfiff ein paar durchdringende, melodische Töne. Einen Moment später glitt die runde Tür zur Seite. Die Soldatinnen, die Tree trugen, stellten den Schutzschild ab; eine der Frauen ging geduckt durch die Türöffnung, drehte sich um und hob den Schild gemeinsam mit der zweiten Soldatin hindurch.
    Tree zog den Kopf ein. Als sie ihn wieder hob, fand sie sich im Himmel wieder.

9
    Tree blickte auf eine Stadt, die so prachtvoll war, dass sie den Kopf schütteln musste, um sich zu vergewissern, dass sie nicht halluzinierte.
    Gewachste Papierlaternen mit bunten, hell leuchtenden Seidenbannern hingen an Holzpfählen entlang der breiten, mit Kirschbäumen und Mimosen bepflanzten Prachtstraßen. Dattel- und Pflaumenbaumgärten, Springbrunnen und halbmondförmige Brücken schmückten die Mittelpunkte. All das war jedoch bloßes Beiwerk für die architektonischen Juwelen: kunstvoll verzierte Tempelanlagen mit rundum verlaufenden Veranden, die von spiralförmigen Marmorpfeilern getragen wurden; Paläste mit rotemaillierten Säulen in und vor offenen, weitläufigen Räumen; Pagoden mit sieben oder acht oktagonalen Stockwerken, alle mit wallenden, scharlachroten Pfannenziegeldächern versehen, die wie in Flammen stehende Röcke aussahen; ein goldschimmernder Kuppelbau von der Größe eines Planetariums; bunt lackierte Schindeldächer – blaue, gelbe, rote –, geschwungen wie Wellen, auf deren Kämmen jeweils ein bronzener Löwe saß. Trees Augen folgten prachtvollen Kolonnaden, die ein Netz aus Haupt- und Nebenstraßen mit unzähligen Palästen, Tempeln und Pagoden bildeten.
    Die Hauptstraßen verliefen strahlenförmig vom Stadtkern, in dessen Richtung die Soldatinnen sie trugen. Im Zentrum des Stadtkerns umsäumten Feigenbäume einen blütenförmigen Tempel. Das Gebäude schien wie eine weiße Lotusblüte aus der Erde zu wachsen. Seine anmutige, sanft geschwungene Architektur verblüffte Tree. Es war weder klassisch chinesisch noch kambodschanisch, indisch oder japanisch – die Architekturstile, die sie so bewunderte. Hier und dort fiel ihr ein Bogengang auf, ein Portal, ein Minarett – Dinge, die auf einen der klassischen asiatischen Baustile hinwiesen –, aber insgesamt war das Gebäude von einzigartiger Bauart. Es war, als hätte ein zeitreisender Zauberer die Baumeister der Verbotenen Stadt, des Angkor Wat, des Taj Mahal und der Kyoto-Gärten zusammengeholt und sie aufgefordert, ihre großartigen Stile zu einer neuen Architekturform zu verschmelzen, um all die anderen in den Schatten zu stellen.
    Sie schaute zu Mason zurück, fing seinen Blick auf. Er schien völlig überwältigt.
    »Unglaublich, nicht wahr?«, sagte sie. Er nickte bloß.
    Die Soldatinnen trugen sie über einen sanft abfallenden Ziegelsteinweg, an Birnbäumen und sorgfältig getrimmten Wacholderbüschen vorbei, dann durch eine runde Tür. Der Eingang führte in einen kurzen Gang, der sich in einen großen, kugelförmigen Raum öffnete, dessen konkave Wände mit glänzendem, fleischfarbenem Porzellan vertäfelt waren. Wolkenschrift-Zeichen, zu kunstvoll und verschnörkelt, als dass Tree sie hätte entziffern können, bedeckten die Wände von der Decke bis zum Boden. Auf dem Parkett aus rot, gelb, rosa und braun lackierten Mahagonidielen standen knöchelhohe Sofas, auf denen bequeme Baumwollmatratzen und bestickte Satinkissen lagen.
    Ein betörender Sandelholzduft wehte durch den Raum, und Tree fragte sich, wieso kein Weihrauch in der Luft hing. Dann wurde sie durch ein Tor in einen Innenhof getragen, wo sie den Ursprung des Duftes entdeckte, einen Hain aus eingetopften Miniaturbäumen –

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