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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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zu haben – eure natürliche Harmonie.« Sie hielt ihre verletzte Hand hoch. »Ich habe mich durch mein eigenes unwertes Karma verletzt. Nun bitte ich euch um Vergebung und Gnade. Jiu ming a qu bu qu yisheng – Helft mir und bringt mich zu eurem Doktor.«
    Die nebeneinander stehenden Frauen traten auseinander und ließen eine ältere Frau durch, anscheinend der Hauptmann des Trupps. Ihr angeklebter Bart war dichter und zu einem kurzen, spitzen Zopf geflochten. Sie starrte Tree aus weit aufgerissenen Augen an. »Lung-hu«, flüsterte sie, dann neigte sie den Kopf zu ihren Soldatinnen. »Lung-hu«, zischte sie ihnen aus dem Mundwinkel zu.
    Die anderen riefen unisono: »hu!«
    Der Hauptmann sank auf die Knie und berührte mit der Stirn dreimal den Boden zu Trees Füßen. Die Echsenführerin schlang sich den Haltestrick um den Unterarm, ging auf die Knie und verneigte sich ebenfalls dreimal, gleichzeitig den Kopf des Reptils in den Kies drückend. Unter dem Gerassel ihrer Schwertklingen und lackierten Panzerplatten folgten die anderen Soldatinnen ihrem Beispiel.

8
    Der Pfad führte geradewegs in einen Sprung im Plateauboden hinein. Dichtes Bambusgestrüpp umgab die Stelle, an der Tree und Mason zuvor vorbeigekommen waren, ohne das tropfenförmige Loch zu bemerken.
    Zwei Soldatinnen halfen Tree, in den Schacht hinabzusteigen. Tropfreste aus klumpigen Eisenablagerungen in den Sandsteinwänden hatten die natürlichen Felsstufen mit orangefarbenen Rostschlieren überzogen. Die Anführerin des Trupps trug eine brennende Kerze in einem Keramikbehälter; von einem Wandhaken nahm sie eine in Pech getauchte Bambuswollfackel, entzündete sie und ging weiter, das gelbe Fackellicht hoch über dem Kopf haltend. Die Echsenführerin bildete die Nachhut; selbst aus dieser Entfernung konnte Tree noch den stinkenden Atem des Reptils riechen.
    Drusen übersäten die Felswände. Tree langte nach einem der basketballgroßen Mineralklumpen; er war aufgebrochen, und der Fackelschein ließ die purpurnen Amethystkristalle glitzern, die aus der tiefen Schüssel ragten.
    Während des Abstiegs wurde das Geräusch rauschenden Wassers immer lauter, bis es ein ohrenbetäubendes Tosen war. Kondensierter Sprühnebel lief an den Wänden hinunter. Auf Höhe des Risses in der Felswand gelangten sie an einen unterirdischen Fluss, der auf die Öffnung zuschoss und dahinter, befreit von seinen felsigen Ufern, in das unten liegende Tal krachte. Jenseits des Risses schimmerte bläuliches Tageslicht. Der Fluss wurde von einer natürlichen Steinbrücke überspannt, vor Äonen erschaffen, als die Stromschnellen ein Loch in den Sandstein gebohrt hatten. Zwei Soldatinnen stützten Tree, als sie sie über die Brücke führten.
    Als Tree am anderen Ufer von der Brücke kam, knickten plötzlich ihre Beine ein, und die Frauen fingen Tree auf, bevor sie fiel. Die Anführerin kam zurückgerannt und brüllte ihnen über dem Getöse der Stromschnellen einen Befehl in die Ohren. Eine der Soldatinnen legte ihren Schutzschild auf den Boden; es sah aus wie ein umgedrehter Schildkrötenpanzer. Sie bedeutete Tree, sich hineinzusetzen. Tree tat wie geheißen. Dann hoben die beiden Frauen die behelfsmäßige Trage hoch, und die Gruppe setzte ihren Abstieg durch den gewundenen Schacht fort.
    Tree blickte zu Mason zurück; sein Gesicht zeigte Verwunderung. Als sie ihn in Canaima getroffen und mit der Ankündigung überrascht hatte, dass sie ebenfalls Mitglied des HARVEST-Teams war, hatte sie in seinen Augen die Wahrheit zu lesen geglaubt, begraben unter dem Schock, sie nach mehr als einem halben Jahrzehnt wieder zu sehen. In seinem Blick hatte nicht bloß Liebe gelegen. Sondern die Liebe. Die Liebe, die sich für alle Zeiten unauslöschlich in ihre Seele gebrannt hatte.
    Ihre Gedanken kehrten zu Masons Briefen aus Stützpunkten in Da Nang, Quang Tri, Phu Loc und Hué zurück, zu ihrem Zimmer im Studentenheim in Harvard, Cambridge. Seine Berichte waren spirituell und erotisch gewesen, hart und einfühlsam, todtraurig und urkomisch.
    Zahllose Schuhkartons waren heute mit diesen geistreichen Ergüssen gefüllt – oft hatte er ihr zwei oder mehr Briefe pro Woche geschickt. Im Juni 1970 hatte er ihr vage eine große Überraschung angekündigt. Dann, zu ihrem zwanzigsten Geburtstag, hatte er ihr eine Schriftrolle aus Reispapier geschickt, darauf ein eigenhändig auf Chinesisch geschriebenes Liebesgedicht – Gib hatte ihm ein Jahr lang fast jeden Tag Chinesischunterricht gegeben,

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