Das Geheimnis am goldenen Fluß
da sagst, ist reine Fantasie.«
»Bist du sicher?«
»Zufällig kenne ich mich mit solchen Dingen aus, denn in meinem Graduationssemester assistierte ich eine Weile einem Professor, der die Genetik von Familien in den Appalachen studierte. Schau, was die meisten Leute für einen Hermaphroditen halten würden, wäre tatsächlich nur ein Pseudo hermaphrodit; normalerweise ein Mann, dessen Geschlechtsbildung im Fötusstadium durcheinander geriet. Dies kann aber auch einem weiblichen Fötus passieren. Es handelt sich also nicht um einen vollständigen Mann und eine vollständige Frau im selben Körper, sondern vielmehr um einen Menschen, der zwischen den Geschlechtern steht – nicht ganz Mann und nicht ganz Frau. Ein männlicher Pseudohermaphrodit könnte niemals schwanger werden – er hat keine Eierstöcke und keine Gebärmutter; und ein weiblicher Pseudohermaphrodit könnte niemanden schwängern, weil er keine funktionierenden Hoden hat.«
»Oh, ich verstehe.«
»Du darfst nicht vergessen, dass die weibliche Form eine Art biologischer Archetyp ist – sie ist das Urmodell aller menschlichen Embryos.«
»Stimmt, das weiß ich noch aus dem Biologieunterricht im College.«
Er nickte. »Ich bin sicher, dass du dich mit diesen Sachen bestens auskennst.«
»Nein, rede weiter. Es ist schon Jahre her – ich könnte eine Auffrischung gut gebrauchen.«
»Meinetwegen: Embryologie 101«, sagte er. »Die männliche Gestalt ist eine Modifikation der menschlichen Grundform – des Weiblichen. Wenn diese Konversion aus irgendeinem Grund blockiert wird, behält der Fötus seine Grundform bei und wird als Mädchen geboren. Steril, aber ein Mädchen.«
Sie nickte.
»Zwischen der fünften und siebten Woche entwickeln Embryos so genannte Gonaden – Geschlechtsdrüsen –, aus denen später entweder Eierstöcke oder Hoden werden. Es wurde nachgewiesen, dass, wenn man einem weiblichen Embryo diese Gonaden herausnimmt, es trotzdem als Mädchen geboren wird. Beziehungsweise, es hat ein perfekt weibliches Erscheinungsbild, ist aber unfruchtbar.«
»Keine Eierstöcke.«
»Genau. Keine Eierstöcke, keine Eileiter, keine Gebärmutter. Aber äußerlich eine Frau.«
»Mit einer Vagina.«
Mason nickte. »Mit einer Vagina, die in einer Sackgasse endet«, sagte er. »Aber am faszinierendsten ist, dass, wenn man einem männlichen Fötus die Gonaden entnimmt, dieser ebenfalls als unfruchtbares Mädchen geboren wird. Inklusive Vagina. Deswegen wird die weibliche Form als Urform angesehen.«
Tree schrieb mit der Hand eine Zeitungsschlagzeile in die Luft. »EVA UND ADAM: DIE WAHRE SCHÖPFUNGSGESCHICHTE.«
Mason lächelte.
»Ich finde das toll«, sagte Tree. »Ich bin beinahe geneigt, dem eine metaphysische Bedeutung beizumessen. Als ich zum ersten Mal davon las, damals in meinen Blumenkinder-Tagen, sah ich es als wissenschaftliche Bestätigung, dass Gott weiblich ist, die Große Mutter. Sie ist unser aller Original, von Frauen wie Männern.«
»Nun, dasselbe lässt sich auch über Waschbären, Eisvögel und Mokassinschlangen sagen, die ganze Liste rauf und runter – die Embryos aller Wirbeltiere sind ursprünglich weiblich.« Er machte eine Pause. »Tja, aber außer im Labor entfernen wir keine Gonaden, daher wird die Sache wesentlich komplizierter.«
»Okay, ich kann dir folgen.«
»Wenn ein Y-Chromosom vorhanden ist, beginnen sich die Gonaden in der achten Woche in Hoden zu verwandeln. Ansonsten in der dreizehnten Woche in Eierstöcke. Es ist nichts weiter nötig, dass sie Eierstöcke werden – das tun sie automatisch. Es muss ein spezieller Fall eintreten – Gene auf dem Y-Chromosom –, damit sich die Gonaden in Hoden verwandeln.«
»Und bei diesem Konversionsprozess kann eine Menge schiefgehen.«
»Nicht nur auf dieser Stufe, selbst wenn sich die Hoden normal entwickeln. Zu einem Mann gehört weit mehr als bloß seine Eier.«
»Ich wünschte, genau das würden die Männer endlich kapieren.«
»Neben den Gonaden besitzt ein Embryo vielfältig verwendbares Gewebe, das sich zu einem Penis oder einer Vagina entwickeln kann. Aber diese erst später eintretenden Veränderungen werden nicht direkt durch das Y-Chromosom gesteuert, sondern durch männliche Hormone, die von den Hoden produziert werden. Und ohne männliche Hormone bilden sich wieder automatisch weibliche Geschlechtsorgane. Folgst du mir?«
Sie nickte. »Es ist ein langer Weg aus biochemischen Schritten.«
»Yeah. Und ein einziges mutiertes Gen reicht
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