Das Geheimnis am goldenen Fluß
wir wissen so gut wie nichts über das menschliche Genom und wie es funktioniert.«
»Stimmt.«
»Okay. Vielleicht sind wir ja auf etwas gestoßen«, sagte Tree. »Funktionieren die gemischten Geschlechtsdrüsen in einem echten Hermaphroditen?«
»Oftmals ja.«
»Dann handelt es sich dabei also um ein seltenes menschliches Individuum, das Sperma produziert und einen monatlichen Eisprung hat.«
»Genau hier liegt der Haken: Das Problem mit einem echten Hermaphroditen und seiner Fähigkeit, andere zu schwängern, ist, dass der weibliche Zyklus zwar nicht von den Androgenen beeinflusst wird – diese Personen menstruieren monatlich –, doch die Östrogene lassen den Hoden verkümmern.«
»Also sagst du, dass es unmöglich ist.«
»Nun … Ich entsinne mich an einen Fall, über den ich im Veterinär-Journal meines Vaters las – das ist Jahre her, ich ging damals noch zur Schule. Mein Vater war völlig aus dem Häuschen. Ein domestizierter Hase hatte sich selbst befruchtet – also ein Fall echten Hermaphroditentums.«
»Siehst du.«
»Ja, schon, aber –«
»Schhhht. Denk mal drüber nach.« Sie hob den Zeigefinger. »Könnte es einen echten menschlichen Hermaphroditen geben, ein Wesen mit voll entwickelten männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen?« Er runzelte die Stirn. »Ist es möglich?«, fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern. »Klar ist es möglich. Sicher. Die Natur bringt alles Erdenkliche hervor. Aber … Nun, das Problem ist, dass so etwas eine extrem fein abgestimmte Komposition von Geschlechtshormonen erfordert, damit der Hoden nicht verkümmert.«
»Etwas wie das dynamische Gleichgewicht des Yin-Yang.«
»Zum Beispiel.«
»Ich grübele schon den ganzen Tag darüber nach«, sagte sie. »Die Harmonie des Gegensätzlichen, die Vereinigung von Hermes und Aphrodite.«
Er rieb sein Kinn. »Aber der Pseudohermaphrodit entsteht durch eine Mutation eines einzigen Gens. So etwas kann leicht passieren«, sagte er. »Ich schätze, um ein männlich-weibliches menschliches Wesen zu erschaffen, ist ein ganzes Bündel mutierter Gene erforderlich.«
»Was ist dein Punkt?«
»Nun, es fragt sich, ob der hiesige Genpool tatsächlich so begrenzt ist, dass solch gravierende Mutationen herauskommen. Es ist eine weit verbreitete Fehleinschätzung, dass das Zeugen von Kindern unter Verwandten immer eine genetische Katastrophe heraufbeschwört. Statistiken belegen, dass es bei weitem nicht so gefährlich ist, Kinder mit einem Cousin ersten Grades zu zeugen, wie die meisten Leute annehmen.«
»Ist das wirklich wahr?«
Er nickte. »Denk an die Dynastien der Pharaonen: Die ägyptischen Könige waren so heilig, dass sie nur Mitglieder ihrer eigenen göttlichen Familie heiraten durften. Kleopatra – die Schönheit vom Nil – war ein Kind aus der siebten Generation von Bruder-Tochter-Ehen, und sie selbst heiratete ebenfalls ihren Bruder.«
»Das hat Gib mir nie erzählt.«
»Der Professor, mit dem ich zusammenarbeitete, wies nach, dass die Wahrscheinlichkeit von genetischen Defekten bei Babys aus Ehen mit einem Cousin ersten Grades etwa doppelt so hoch ist wie bei anderen Babys. In tatsächlichen Zahlen ist das nur bei zwei von hundert Geburten der Fall, anstatt bei nur einer. Oder schau dir andere Spezies an: Zu dem Zeitpunkt, wenn bei reinrassigen Hunden genetische Defekte auftreten, haben die Züchter bereits dutzende Male Eltern mit direkten Nachkommen und engen Verwandten gekreuzt.«
»Ja, schon, aber hier spielt auch der Zeitfaktor eine Rolle – stell dir eine fünfhundertjährige Progression vererbter Merkmale vor. Und wer weiß, wie hoch der Grad der Blutsverwandtschaft unter den ursprünglichen Kolonisten aus dem China der Ming-Dynastie war – einer polygamen Gesellschaft.«
»Huh. Guter Punkt«, sagte Mason. »Es gibt eine Fallstudie über eine kleine Bevölkerungsgruppe aus Pseudohermaphroditen – neunzig Personen in einem entlegenen Fischerdorf in der Dominikanischen Republik. Alle stammen zumindest auf einer Seite von derselben Ur-Ur-Ur-Großmutter ab. Die Cousins und Cousinen haben so oft untereinander geheiratet, dass bald beide Ehepartner Kopien des defekten Genes in sich trugen.«
»Dann hat sich der Effekt mit jeder Generation multipliziert.«
Er nickte. »Soweit ich mich erinnere, gab es unter den Kindern der Ur-Ur-Ur-Großmutter einen Pseudohermaphroditen, drei unter den Enkeln, vierzehn unter den Urenkeln, um die zwanzig unter den Ur-Ur-Enkeln und um die vierzig unter
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