Das Geheimnis Dauerhaften Gluecks
verkörperte für ihn noch so viel Mädchenhaftes und faszinierte ihn mit ihrem Charme. Auch Marlene, die von festeren Bindungen bisher nichts gehalten hatte und immer vor ihnen geflohen war, fühlte eine tiefe Zuneigung zu Karl, diesem sportlichen, heldenhaften Mann, mit dem sie sich jedes Abenteuer vorstellen konnte. Sie war sich sicher, dass es mit ihm niemals langweilig werden würde. Er würde nicht an ihr kleben und ihre Liebe würdenicht einschlafen, denn das war für Marlene aufgrund des Beziehungsmodells ihrer Eltern eine Horrorvorstellung. So war immer viel los in ihrer Partnerschaft.
Wenn sie nicht arbeiteten, dann waren sie auf einem Marathon in Frankfurt, einem Geburtstagsfest bei einem ihrer zahllosen Freunde, halfen beim Flohmarktstand von Marlenes Bruder aus oder besuchten Studienkollegen von Karl, die jetzt im Burgund einen alten Bauernhof restaurierten. Und das alles am besten an einem verlängerten Wochenende. Eine Grillparty hier, ein Diavortrag über Australien da, Treffen mit den Vereinskollegen von Karl und Besuch eines Trommelworkshops, den eine Bekannte von Marlene organisierte. Die Kette der Aktivitäten riss nie ab. Auch wenn es sehr anstrengend war, genossen sie es, ein lebendig-dynamisches Paar zu sein, dem es nicht passieren konnte, sich daheim in der begrenzten Welt täglicher Kleinigkeiten anzuöden.
Jetzt kamen zwei volle Leben zusammen und alles, was es da beiderseits an Freizeitbedürfnissen gab, musste unter einen Hut gebracht werden. So war ihre Beziehungskultur eher von atemloser Aktivität und nur selten von Zeiten der Ruhe für beide als Paar geprägt. Sie waren meist als Paar unter anderen und selten als Paar unter sich. Oder jeder von ihnen unternahm etwas mit seinen Freunden. Sie verfolgten den Grundsatz, dass jeder frei sein konnte und seine Autonomie in Form von eigenen gelebten Wünschen immer eine Berechtigung haben sollte.
Darauf achteten sie mit größter Sorgfalt, und das auch dann noch, als sie eine Familie gründeten und zunächst Jonas und später Sophia das Paarleben in ein Familienleben verwandelten. Karl, der mittlerweile in einer Softwarefirma eine Führungsposition innehatte und beruflich mehr gefordert war, verfolgte mit Akribie die Entwicklungen auf dem Kleinkindmarkt, insbesondere die dort zu erwerbendenFortbewegungsmittel. So verging kein Wochenende, an dem es nicht eine Radtour mit Fahrradanhänger gab oder ein Skiwochenende mit der Freundesclique inklusive organisiertem Babysitter, damit er und Marlene den Anschluss nicht verlören. Obwohl es jetzt zwei anstrengende kleine Kinder gab, sollte ihr bisheriger Lebenswandel keinen großen Verlust erleiden. Der Druck, neben der Berufstätigkeit (Marlene arbeitete bald wieder als Teilzeitkraft) und dem Familienleben die jeweils eigenen Interessen aufrechtzuerhalten, erhöhte sich immens. Als Paar begegneten sie sich nur noch abends müde im Bett. Karl war nach der Arbeit oft ausgepowert und erschöpft, er war häuslicher geworden und sehnte sich zunehmend nach mehr Ruhe und Gemeinsamkeit mit Marlene.
Als eine Freundin ihnen einen gemeinsamen freien Abend schenkte, saßen sie sich im Restaurant stumm gegenüber und hatten sich nichts zu sagen. Karl vermisste, dass er als Mann von Marlene gemeint und gewollt war. Ihre Aktivitäten, an denen sie trotz Doppelbelastung festhielt (sie joggte jetzt morgens zwischen sechs und sieben Uhr, bevor sie die Kinder weckte und versorgte), waren ihr wichtig und Karls Weigerung zu den Marathonrennen immer noch mitzukommen, empfand sie als Desinteresse und Ablehnung ihrer Person. Karl wiederum verletzte es, dass ihr das Laufen wichtiger war als die Beziehung zu ihm oder zur Familie. Sie aber empfand ihn als einengend und undankbar, da sie unter der Woche ein weitaus größeres Stück Familienarbeit leistete und dafür am Wochenende den verdienten Ausgleich erwartete. Sie stritten oft, manchmal sogar täglich, und die Stimmung verschlechterte sich zusehends.
Als sie in die Beratung kamen und von der Paartherapeutin gefragt wurden, worum es gehe, sagte Karl nur trocken: »Meine Frau läuft …«
Der gute Stern
Wertvoll daran ist, dass Paare wie Karl und Marlene, die sich nicht einigeln und die ihre Liebe nicht allein aus der Zweisamkeit schöpfen, etwas Sinnvolles für den Erhalt ihrer Liebe tun und der Spannung in ihrem Paarsystem eine Chance geben. Etwas gemeinsam zu unternehmen und darauf zu achten, dass jeder Zeiten für sich hat, ist klug und erfrischt und
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