Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
Vom Netzwerk:
landete auf dem harten Fußboden. Über ihr ragten die verbrannten und verkohlten Balken der eingestürzten Decke und ein bedeckter Himmel auf. Die Wände waren schwarz und grau von Ruß, die Wandgemälde nicht mehr zu erkennen, und die Fenster wirkten wie aufgerissene, entstellte Münder.

    »Was ist passiert?«, schrie Henrietta. »Warum ist das alles weg?«
    »Ha!« Der kleine Mann lachte bitter. Ein Stück Holz zerbrach unter seinen Füßen und er wich zurück.
    Henrietta stand auf, um zu ihm zu gehen. »Sagen Sie es mir, bitte!«, bat sie. In der Nähe der Wand schien der Boden stabil zu sein. Vorsichtig und rasch lief sie daran entlang. Es war, als kletterte man auf den Heuböden der alten Scheunen umher; alter Scheunen, die schon schief standen oder wo das Dach oder die Wände fehlten.
    »Sagen Sie es mir!«, bat sie noch einmal.
    Der kleine Mann wandte sich um. »Sieh nur, was du angerichtet hast! Du hast alles in Unordnung gebracht. Jetzt bin ich nicht besser dran als vorher.«
    Henrietta blieb stehen. »Aber das habe doch nicht ich gemacht. Wie hätte ich das denn anstellen sollen? Ich bin Ihnen nur gefolgt.«
    Der Mann sah sie wütend an. »Wenn du davon sprichst, einen der schönsten Paläste der Welt, eine der schönsten Städte der Welt zerstört zu haben - das nicht. Das haben größere Dummköpfe als du getan. Aber deinetwegen habe ich meine Brille verloren.«
    »Das tut mir leid«, sagte Henrietta. »Ich wollte nur mit Ihnen sprechen. Wir können ja zurückgehen und sie holen.«

    »Eher unwahrscheinlich«, antwortete der Mann. Aber er wandte sich um und begann zurückzugehen. »Und meinen Schuh hast du mir auch abgenommen.«
    »Nun ja, Sie wollten fliehen.«
    Als der Mann sie erreicht hatte, blieb er stehen und musterte sie von oben bis unten.
    »Ich heiße Henrietta«, sagte sie.
    »Das weiß ich.« Er ging weiter, zurück zu dem Fach, das in einen riesigen Wandschrank eingebaut war. Er schlüpfte hinein, sodass nur noch seine Beine hervorsahen. Einen Augenblick später kam er wieder heraus.
    »Das Schicksal ist keine Dame«, sagte der Alte. »Die Pforte ist verschlossen. Das haben wir beide nun davon. Du kannst dich gern hier in das Fach setzen und darauf warten, dass sie wieder aufgeht. Wird mich sicher ein Jahr kosten - aber ich versuche jetzt herauszufinden, wo ich noch ein Zuhause haben könnte.« Er bückte sich, zog seinen einzelnen Schuh aus und steckte ihn in die Jackentasche. Socken trug er keine. Dann wandte er sich um und wollte weggehen.
    »Meinen Sie damit, ich sitze hier fest?«, fragte Henrietta. »Warten Sie! Bleiben Sie stehen! Ich will mit Ihnen sprechen!«
    Der Mann wandte sich zu ihr um. »Willst du mich wieder am Bein ziehen?«
    »Wollen Sie mich wieder treten?«, entgegnete sie.

    »Worüber willst du mit mir reden?«
    »Wissen Sie, wie die Fächer funktionieren?«
    Der Mann zuckte die Schultern. »Warum willst du das wissen? Spiel einfach ein wenig an ihnen herum und warte ab, was passiert. Das ist womöglich für alle das Beste.«
    Henrietta atmete tief ein und versuchte, sich nicht zu ärgern. »Sagen Sie mir wenigstens, wie ich zurückkommen kann, wenn es sein muss.«
    »Du wirst nicht zurückkehren, bis nicht derjenige, der die Knöpfe verstellt hat, merkt, dass du nicht mehr da bist. Und bis er irgendwie herausbekommt, wohin die Zeiger gedeutet haben, als du auf meinen Füßen auf die andere Seite geritten bist. Du kannst nichts weiter tun, als dich an die Rückwand des Fachs zu lehnen und abzuwarten. Oh, ich habe auf diese Weise schon Wochen verbracht, an weitaus garstigeren Orten, und ebenso die letzten Tage - dank deiner Fummelei. Falls die Pforte wieder aufgeht, dann nur für kurze Zeit. Du solltest diese Gelegenheit nicht versäumen. Und sieh zu, dass du all deine Glieder geschwind hindurchschleust. Aber jetzt will ich dich nicht länger aufhalten. Leb wohl!«
    Henrietta fasste nach seiner Jacke und hielt ihn fest. Er runzelte die Stirn und rang nach Luft, bevor er sprach.
    »Noch nie«, sagte er, »bin ich einem kleinen Mädchen
begegnet, das so wild darauf war, an einem alten Mann herumzuzerren. Lass los, Kleine, aber sofort!«
    »Ich bin genauso groß wie Sie«, entgegnete Henrietta.
    Das Gesicht des alten Mannes wurde rot und seine Ohren violett. Er trat näher an Henrietta heran und sah ihr geradewegs in die Augen. Sie ließ seine Jacke los.
    »Können Sie mir bitte einfach sagen, was hier geschehen ist?«, bat sie. »Was ist das für ein Ort? Und wo sind all

Weitere Kostenlose Bücher