Das Geheimnis der Äbtissin
Gemach zur Verfügung gestellt wird.«
»Du hast nichts zu verlangen! Sie wird mit uns in der Kemenate schlafen müssen. Schließlich hat ihr Ehemann unsere Gesellschaft ausdrücklich gewünscht.« Isabella sprach an der Frau vorbei direkt zu Beatrix, die auf ihrer Truhe zusammenschrumpfte wie eine angestochene Schweineblase. »Und wer es wagen sollte, den Jungen anzurühren, dem lasse ich die Hand abschlagen!« Ihre Worte drangen wie Glassplitter in die Ohren der Umstehenden. Keiner getraute sich, sich zu rühren. Selbst Beringar vergaß das Heulen.
Die Kinderfrau fasste sich als Erste. »Wer seid Ihr?«
»Ich bin des Kaisers Tochter!«, schleuderte Isabella ihr mit so viel geballter Wut entgegen, dass die Frau einige Schritte zurückstolperte. Isabella genoss ihren Triumph einen Moment, dann drehte sie sich um und rannte die Treppe hinunter. »Tragt die Betten hinauf! In einer Stunde ist alles wieder so, wie es heute Morgen war!«
»Aber das geht doch nicht«, jammerte die Kinderfrau.
»Lass nur, Margot.« Zum ersten Mal hörte Judith Beatrix’ Stimme. Sie sprach den Namen burgundisch aus, es klang wie Margoh. »Wenn mein Gemahl es so wollte …« Sie kletterte von der Truhe herunter.
Gerlind entspannte sich allmählich und wischte Beringar mit einem Zipfel ihres Rocks die Tränen vom Gesicht. Silas und Sigena verneigten sich vor der Prinzessin. Judith hatte daran keinen Gedanken verschwendet, aber Beatrix achtete auch nicht darauf.
Mit verlegener Miene stellte sie sich neben ihre Kinderfrau. »Es tut mir leid. Ich wollte nicht …«
»Herrin, Ihr müsst jetzt nicht zu Kreuze kriechen!«
Beatrix hob die Hand. »Es ist gut, Margot. Sieh bitte nach dem restlichen Gepäck. Es müsste längst oben sein.« Sie sprach viel besser Deutsch als die Kinderfrau, nur ein schwacher Akzent verriet ihre Herkunft. Wütend vor sich hin grummelnd raffte Margot ihre Röcke und stieg die Treppe hinab.
Beatrix trat auf Sigena zu. »Seid Ihr die Herrin hier auf der Burg?«
»Nein. Wenn Ihr Hilfe braucht, wendet Euch an Judith.« Sie nahm die Angesprochene bei den Schultern und schob sie zu Beatrix hin. »Sie ist die Tochter des Burgherrn. Sie wird Euch alles erklären, was Ihr wissen müsst.«
Judith seufzte und verbeugte sich endlich. Beatrix winkte ab. »Das kannst du dir sparen. Von den vielen Verbeugungen werde ich seekrank.« Sie zog Judith in die Ecke und bot ihr einen Platz auf der Truhe an. »Margot kennst du ja nun schon. Sie denkt noch immer, sie muss für mich entscheiden. Jetzt hat sie alle hier gegen mich aufgebracht.«
Judith wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Mit Kinderfrauen war nicht gut Kirschen essen, wenn es um ihre Schützlinge ging. Sie erschrak plötzlich. »Was habt Ihr mit Katharina gemacht?«
»Die jammernde Alte?«
»Sie ist meine Amme und sehr krank!«, entgegnete Judith entrüstet.
»Oh, das wusste ich nicht. Die Diener haben sie die Treppe hinabgetragen, keine Ahnung, wohin.«
»Ich muss sie suchen!«
Beatrix stand auf. »Ich komme mit. Du kannst mir den Garten zeigen.«
Die enge Wendeltreppe war erneut von wüst fluchenden Knechten und Isabellas Bettgestell versperrt. Sie warteten. »Wo habt ihr Katharina hingebracht?«, fragte sie den Mann, der als Erster zur Tür hereinkam.
»In die Gesindestube neben der Küche.«
Unten im Saal überwachte Isabella den Rücktransport der Kemenatenmöbel. Neben dem Bett, das Judith sich mit Beringar teilte, und ihren vertrauten Kleidertruhen stand noch eine weitere unbekannte Truhe von der Größe eines Fährboots.
Nie im Leben passt die auch noch in die Kemenate, dachte Judith, schwieg aber wohlweislich, als sie Isabellas zornigem Blick begegnete. Sie erwiderte ihn und zuckte mit den Schultern, als wollte sie sagen: Was kann ich dafür?
»Ich wusste nicht, dass Friedrich eine Tochter hat«, raunte Beatrix in ihr Ohr.
»Er hat Euch wohl nicht viel von sich erzählt?« Sie ging eilig auf die Tür zu. Noch immer spürte sie Isabellas Blick in ihrem Rücken.
»Nein. Eigentlich gar nichts. Was ist mit … ihrer Mutter passiert? Ist sie tot?«
Draußen verlangsamte Judith ihren Schritt. »Nein. Sie sind geschieden. Adela hat auch wieder geheiratet.«
Wenn Beatrix sich wunderte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Sie rümpfte lediglich die Nase mit den unzähligen Sommersprossen. »Adela also. Und sie – wie heißt sie?« Ihr Kopf ruckte in Richtung Palas, so dass ihre hellblonden Locken wippten.
»Isabella.«
»Lebt sie immer
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