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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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seine hellen Locken. »Ihr seid wahrhaftig eine interessante Frau. Kommt, es gibt frische Milch!« Er schob sie zum Heuspeicher, wo die Diener ein einfaches Frühstück vorbereitet hatten. Geistesabwesend sah sie zu, wie er ihr aus einem Krug eingoss.
    »Nehmt auch von dem Brot. Der Hirte hat sogar Butter mitgegeben.« Berthold reichte ihr ein Holzfässchen.
    Dazu würde Schnittlauch schmecken … Sie fuhr auf und stieß sich das Knie am Tisch.
    »Was ist denn nun schon wieder? Judith! Ihr seid so weiß wie diese Milch!«
    »Es ist nichts. Ich weiß auch nicht …«
    »Aber Ihr zittert!« Er sah sich suchend um. »Wo ist Euer Umhang?«
    Genau das war das Problem. Sie schauderte erneut. Ihr Mantel lag oben am Hang unter den Birken, darauf das Bündel Schnittlauch.
    Als Beatrix wenig später mit leuchtenden Augen die Wiese herunterkam, entschuldigte sich Judith und begann Decken und Kissen auszuklopfen und zum Wagen zu bringen. Berthold schaute ihr nachdenklich hinterher.
    »Judith, lass das doch die Diener erledigen. Komm noch ein wenig her und genieße die Aussicht. Wer weiß, wie lange wir sie noch haben.« Beatrix klang gut gelaunt.
    Widerstrebend gehorchte sie und setzte sich auf die Bank vor dem Speicher. In diesem Moment tauchte Bischof Konrad auf. Sie zupfte intensiv an den Wollknötchen an ihrem Ärmel.
    »Mein Beitrag zum Frühstück!«, sagte er betont fröhlich.
    Judith stockte der Atem, als ein Bund Schnittlauch auf den Tisch fiel. Sie hörte zufriedenes Lachen und sah, wie Hände nach den grünen Halmen griffen. Sie hob den Kopf etwas weiter und erblickte wie durch einen Tunnel aus Nebel das blaue Bündel unter seinem Arm. Ihr Umhang! Sie kratzte ihren letzten Mut zusammen und blickte ihm direkt in seine schmal gewordenen Augen. Eisige Kälte schlug ihr entgegen, und sie las eine unmissverständliche Drohung darin.
    Am Nachmittag erreichten sie das Hospiz St. Peter unterhalb der Passhöhe. Obwohl es noch zeitig am Tag war, zogen sie nicht weiter. Der vergangene Tag hatte sie aus dem Rhythmus gebracht. Und noch einmal wollten sie nicht ohne Herberge übernachten. So waren sie gut ausgeruht, als sie am nächsten Morgen zum Pass aufbrachen. Gleich hinter dem Hospiz empfing sie eine karge Steinwüste, immer wieder von einzelnen verharschten Schneefeldern durchzogen. Der gepflasterte Weg hob sich kaum ab. Für die Pferde und Maultiere begann eine neuartige Tortur, denn die vielen kleineren spitzen Steine unter dem harten Schnee setzten ihren Hufen sehr zu. Gegen Mittag luden die Stallknechte das Gepäck auf die Wechselpferde. Bald darauf neigte sich das Gelände sanft, es ging bergab.
    »Endlich!«, seufzte Judith und klopfte ihrer Stute den Hals. »Jetzt wird es leichter!«
    »Leider nicht«, entgegnete Herzog Berthold, der wieder einmal neben ihr ritt.
    Sie sah ihn fragend an.
    »Beim Abstieg geschehen noch öfter Unfälle«, erklärte er ernst. »Die Leute wie auch die Pferde sind erschöpft und unaufmerksam.«
    Der Weg mündete in ein einsames und wildes Tal, wo die hohen Grashänge Spuren häufiger Lawinen trugen. Die römischen Straßenbauer hatten den Pfad hier wohl oder übel an der steilsten Stelle hinabführen müssen. In sehr kurzen Serpentinen schlängelte er sich talabwärts. Zu seiner Seite brauste wieder ein kleiner Fluss und überstäubte alles mit feinen eiskalten Wassertropfen. Zwischendurch gab es lange Strecken, wo der Weg aus blankem Felsen herausgehauen worden war. Hier mussten die Knechte den Pferden Lederlappen um die Hufe wickeln, damit sie nicht ausglitten. Die Männer stemmten sich mit Knüppeln gegen die Wagen, um den Tieren beim Bremsen zu helfen. Die Reiter führten ihre Pferde am Zügel und redeten beruhigend auf sie ein.
    Kurz vor dem Tagesziel löste ein falscher Tritt am oberen Teil der Serpentinen eine Gerölllawine aus, die mit lautem Donnern und Getöse ins Tal stürzte. Geistesgegenwärtig drückten sich alle dicht an den Berg, um den tödlichen Geschossen zu entgehen. Ein Hengst aus der Leibwache der Königin wurde am Hals verletzt, sein Besitzer musste ihn töten. Nachdem sie den Kadaver abgehalftert hatten, schoben sie ihn den Abhang hinunter, um den Weg frei zu machen. Schaudernd blickte Judith in die Tiefe auf den zerschmetterten Leib. Langsam begriff sie, was Herzog Berthold gemeint hatte. Beim Abstieg hatten die Reisenden den Abgrund dauernd vor Augen, die Angst war ein ständiger und zermürbender Begleiter. Als sie aufblickte, sah sie geradewegs in Konrads

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