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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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herunterkam, fand sie ihn in heftiger Diskussion mit seiner Schwester Sigena. Ihr Oheim Johannes stand am Kamin und schürte das Feuer mit einem langen eisernen Haken. Sonst war niemand im Palas.
    Ein Feuer im August, diesen Luxus hätte Vater nie erlaubt, dachte Judith unwillkürlich, als sie mit ihren Krücken Stufe für Stufe hinabstieg.
    »Es ist unverantwortlich!«, fauchte Sigena. Dann sah sie Judith auf der untersten Stufe stehen und verstummte.
    »Es geht schon besser«, sagte Judith, weil sie glaubte, Sigena spiele auf ihre baldige Reise nach Eschwege an. »Vater! Willkommen! Habt Ihr meinen Brief erhalten?«
    »Ja. Wegen dieses Briefes bin ich hier. Setz dich.« Er deutete auf die Bank vor dem Kamin und musterte mit verkniffener Miene das Feuer. Die jungen Flammen leckten an den Scheiten und vertrieben die feuchte Kühle des Regens. »Ich freue mich, dass deine Genesung Fortschritte macht.« Er sagte es ohne Begeisterung und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht wie jemand, der nicht weiß, wie er beginnen soll. »Willst du mir jetzt endlich sagen, wie es zu diesem Unglück kommen konnte? Was hattest du hinter der Hütte des Baumeisters zu suchen?«
    Judith seufzte verhalten. Sie hatte gehofft, ihr Vater würde nicht noch einmal darauf zurückkommen. Sie wollte ihn nicht schon wieder belügen. »Ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich an nichts erinnern.«
    »Hatte es etwas mit dem Bischof zu tun? Wolltest du ihn aufsuchen?«
    »Vater, die Pferde standen dort hinten auf der Koppel. Sicher war ich auf dem Weg zu meiner Stute. Dabei kam ich an diesem schlecht gesicherten Stapel vorbei, der im selben Augenblick ins Rutschen geriet.« Sie leierte ihren Text herunter wie ein Spielmann ein Lied, das er zu oft gesungen hatte.
    Er sah sie eine Weile stumm an. »Was, wenn ich dir die Wahrheit glauben würde? Wenn ich plötzlich auch Zweifel an der Ehrbarkeit des Bischofs hätte?«
    Sie erschrak. War das eine Falle? Wollte er testen, ob sie ihr Gedächtnis wiedererlangt hatte? Sigena nickte ihr zu. Die Blicke aus ihren dunkelbraunen Augen ruhten voller Zuversicht auf ihr. Wusste ihre Tante etwa Bescheid? Vollends verwirrt ließ sie den Kopf sinken.
    Sigena trat näher. Eine warme Hand stahl sich auf ihren Rücken. »Folge deinem Herzen, Kind.«
    Die Stimme nahm ihr die Angst. Sie blickte auf. »Also gut. Ich war auf diesen Holzstapel geklettert, weil ich den Bischof und Beatrix erwischen wollte, um endlich zu beweisen, dass die beiden den Kaiser betrügen.« Sie schniefte.
    Ihr Vater lehnte sich zurück. Eine tiefe Falte entstand auf seiner Stirn. »Dann stimmt es also.« Er schwieg, und die Stille lag schwer auf den Schultern.
    Hatte Beringar doch etwas verraten? »Wir … ich wollte den Kleinen auf keinen Fall hineinziehen, Vater.«
    Sein Blick kehrte aus unbestimmter Ferne zurück und musterte sie streng. Es dauerte eine Weile, bis er begriff. Dann polterte er los: »Beringar weiß auch davon?« Seine Faust donnerte auf den Tisch. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
    »Aber hat er dir denn nicht alles erzählt?« Sie verstand überhaupt nichts mehr. In ihrer Kehle bildete sich ein brennender Klumpen.
    »Nein. Von meinen Kindern hat offenbar niemand den Mut, mit mir über wichtige Dinge zu reden.« Der Zorn ließ ihn aufspringen und wie ein gejagtes Tier um den Tisch laufen.
    »Ich habe es ihm gesagt.« Die Hand ihrer Tante streichelte wieder ihren Rücken. »Lang genug habt ihr euch allein damit befassen müssen.«
    Sie hätte es wissen können. Sigena und ihr zweites Gesicht. »Seit wann …?« Ihre Stimme krächzte.
    »Als Isabella beigesetzt wurde, sah ich einen Ausdruck in Konrads Blick, der mir Gänsehaut verursachte. Da begann ich nachzudenken. Ich glaubte allerdings, es sei eine Sache zwischen Vater und Tochter gewesen. Ich ahnte nicht, dass du die Geschichte weiterverfolgen würdest.«
    »Vater und Tochter?« Graf Ludwig blieb neben seiner Schwester stehen. »Was meinst du damit?«
    »Ich glaube, Judith ist noch nicht fertig mit ihrem Bericht«, mahnte Sigena.
    Der Graf ließ sich stöhnend auf die Bank fallen. »Also gut. Sprich weiter.«
    Judith versuchte den Kloß in ihrer Kehle zu ignorieren. »Auf der Reise nach Italien entdeckte ich Konrad und Beatrix im Wald. Der Bischof überzeugte sie mit der Aussage, Friedrich würde sie verstoßen, wenn sie keine Kinder bekäme. Leider fand Konrad heraus, dass ich sie beobachtet hatte. Von nun an musste ich mich in Acht nehmen. Erst viel später

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