Das Geheimnis der antiken Kette
anderes machen, als zu heiraten.«
Rue hätte nicht verblüffter sein können, hätte er ihr sein Essen an den Kopf geworfen. »Heiraten?«, schrie sie auf. In diesem Moment erkannte sie, dass es ihr liebster und geheimster Wunsch war, Farley Haynes zu heiraten. Im selben Moment wusste sie, dass sie den Verstand verloren haben musste, wenn sie so dachte.
»Ich schicke jemanden zum Friedensrichter in der nächsten Stadt«, sagte Farley, als wäre dieser Punkt schon geklärt.
»Einen Moment«, protestierte Rue und schlug leicht mit der Faust auf den Tisch. »Ich habe zu deinem Antrag – falls man das so nennen kann – noch nicht ja gesagt. Ich will nicht heiraten. Ich will nicht einmal hierbleiben, wenn ich erst einmal meine Cousine gesehen habe.«
Farley wirkte unbeeindruckt. »Und wenn wir letzte Nacht ein Kind gezeugt haben?«, fragte er und zog ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. »Ich glaube nicht, dass die Dinge so anders sind in Seattle oder Boston oder woher du wirklich kommst. Das Leben ist so gut wie unmöglich für eine unverheiratete Frau mit einem Kind.«
Rue legte die Hände auf ihren Bauch. »Oh, gütiger Himmel«, flüsterte sie.
Farley trug seinen Teller zur Spüle. Dann kam er zurück, küsste sie und strich sanft mit einer Hand über ihren Unterleib. »Wenn da noch kein Baby ist«, sagte er heiser, »werde ich eines zeugen, sobald ich zurückkomme.«
Ein heißer Schauer schüttelte Rue. Sie staunte erneut über die Tiefe der Leidenschaft, die dieser Mann mit ein paar Worten und Zärtlichkeiten in ihr wecken konnte. »Wann wird das sein?«
Er knabberte an ihrer Unterlippe, bevor er antwortete. »Mittags, falls nichts schiefgeht.« Damit trat er zurück, schnallte seinen Revolvergurt um, lud den Revolver nach und schlüpfte in den Staubmantel. Er setzte seinen verbeulten Hut auf und griff mit einer glatten, eingeübten Bewegung nach dem Gewehr. »Versuche, dich von Ärger fernzuhalten, bis ich dich heiraten kann«, drängte er mit einem leichten Lächeln. Damit ging er.
Rue war rastlos, und der Gedanke an die Wahl, die sie bald treffen musste, wirkte niederdrückend. Gehen oder bleiben. Lieben oder Gleichgültigkeit vorschützen. Ihrem Herzen oder ihrem Kopf folgen. Lachen oder weinen.
Mehr um sich selbst zu beschäftigen als aus Liebe zu Sauberkeit, erhitzte sie Wasser auf dem Herd, spülte das Geschirr, wischte über den Tisch und fegte den Fußboden. Dann machte sie das Bett, und dabei blieb sie mit dem Fuß an einem losen Bodenbrett hängen. Sie kauerte sich hin, um das Brett an seinen Platz zurückzudrücken. Die gleiche Neugierde, die sie zu einer so guten Journalistin gemacht hatte, machte sie zu einem sehr schlechten Logiergast. Rue konnte nicht widerstehen, unter das Brett zu spähen.
Eine Zigarrenkiste war darunter versteckt, angefüllt mit Fünf-Dollar-Stücken in Gold. Das sollte sicher die Anzahlung für Farleys Ranch sein.
Rue betrachtete die Münzen. Wo sie herkam, waren die kleinen Goldstücke viel mehr wert als fünf Dollar, aber hier war es gewöhnliches Geld.
Behutsam stellte sie die Kiste an ihren Platz zurück. Ware Farley ein anderer gewesen, hätte sie vielleicht dieses Geld benützt, um nach San Francisco zu kommen, aber sie konnte nicht seine Träume stehlen. Am besten war, sie suchte ihre Halskette.
Der Tag war kalt, und Rue wünschte sich einen Schal, als sie die Bürgersteige von Pine River entlangging auf der Suche nach dem verlorenen Schmuckstück, das ihre einzige Verbindung zu der Welt war, die sie kannte.
Sie suchte den ganzen Vormittag ohne Glück, und ihre Schultern hingen bereits entmutigt herunter, als sie zu Farleys Büro zurückging. Wenn er ihr schon ein Baby geben wollte, würde er ihr hoffentlich auch ein Mittagessen anbieten.
Als sie an Ella Sinclairs Pension vorbeikam, fiel Rue ein, dass es einen Ort gab, an dem sie noch nicht nachgesehen hatte – den Abort, in dem sie gewesen war. Ihr Herz begann zu hämmern. Sie war nicht sicher, um welches Gebäude es sich handelte, aber sie wusste, dass es in der Nachbarschaft war.
Rue raffte die Röcke, hetzte um das Haus herum, an dem sie gerade vorbeiging, und wich dem Pferdemist und Schlamm im Hof aus, so gut sie konnte. Sie preschte in den Abort, allerdings vergeblich – die Halskette war nicht da. Sie begann, durch Hinterhöfe zu jagen und in jeden Abort zu sehen, an den sie kam. Sie war so darauf aus, die verlorene Halskette zu finden, dass sie kaum das verwirrte, geschockte und
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