Das Geheimnis der antiken Kette
konnte.
»Rue.« Ihr Name war ein raues, brüchiges Flüstern auf seinen Lippen. Erneut verwischte sich seine Sicht, aber er wusste nicht, ob die Halskette ihren bitteren Zauber wirkte oder ob er endlich dem in ihm aufgestauten Gram nachgab.
Fünf Minuten vergingen, zehn, während der Hengst ruhte und Farley wartete.
Als der Übergang bei Sonnenaufgang stattfand, geschah es sanft. In Farleys Ohren entstand ein Dröhnen, und Lobo tänzelte nervös unter ihm. Die Hochspannungsleitungen und das ferne graue Band des Highways lösten sich in nichts auf.
Ohne einen Kalender zu Rate zu ziehen, wusste Farley instinktiv, dass er und das Pferd in seinem eigenen Jahrhundert waren, und es war noch ein weiter Weg bis Pine River.
Dennoch ließ er die Halskette in seine Tasche gleiten und ritt zu der Stelle zurück, an der das Haus gestanden hatte, wo Rue in einer warmen Küche ihren Morgenkaffee trinken und Soldier hätte bellen sollen. Da war jedoch nichts – außer einer verlassenen Hütte und einem einzelnen Grab mit einem Holzkreuz.
Farley nahm für einen Moment den Hut ab. Seine Kehle war von Elend zugeschnürt, sein Herz von jener Einsamkeit erfüllt, die einen Menschen dazu treiben konnte, dumme, waghalsige Dinge zu tun. Er senkte den Kopf, kämpfte mit seinen Emotionen, wandte Lobo dann nach Westen und ritt seiner Bestimmung entgegen.
Rue regte sich im Traum in ihrem Hochzeitsbett. Sie sah Farley allein durch die winterliche Morgendämmerung reiten. Das schlimmste onyxfarbene Fell des Pferdes war ein starker Kontrast zu dem unberührten Schnee. In dem Bewusstsein, dass sie ihren Mann niemals einholen konnte, kämpfte sie darum, wach zu werden.
In dem Moment, in dem sie erwachte, wusste sie, dass der Albtraum real war und sie ihm nicht entkommen konnte. Sie und Farley hatten das Hochzeitsgelöbnis abgelegt und auch vollzogen, und jetzt war er fort.
Ein wilder Schluchzer entrang sich ihrer Kehle. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und bemühte sich, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Vielleicht war Farley unten, las eines seiner populärwissenschaftlichen Bücher und sah sich mit einem Auge seine Lieblingssendung im Fernsehen an.
Sie sprang aus dem Bett, fand ihren Hausmantel, zog ihn an und jagte die Treppe hinunter.
»Farley?«
Das Wohnzimmerfeuer war aus, der Fernsehschirm dunkel.
Rue eilte in das Arbeitszimmer, aber noch bevor sie es erreichte, wusste sie, dass Farley nicht dort sein würde. Seine Gegenwart konnte sie greifen, und jetzt fühlte sie nichts außer einer wachsenden Taubheit.
»Oh Himmel, hilf mir«, betete sie, konnte nicht weiter, während sie durch das dunkler werdende Haus in die Küche taumelte.
Kein Feuer im Herd, kein kochender Kaffee, kein lesender Farley am Tisch.
Rue befand sich noch unter Schock, aber sie fühlte, wie ihre Emotionen sich unter der harten Schicht der Selbstkontrolle bewegten.
Sie flehte weiterhin den Himmel an, während sie zurück nach oben lief, um sich zu duschen und anzuziehen. Ihr Haar war noch feucht, als sie Farleys Stiefelspuren den Pfad entlang zum Stall folgte. Sie wäre beinahe mit Charlie am Tor zusammengeprallt.
»Er ist weg!«, stieß sie niedergeschlagen hervor, als der alte Mann sie an den Schultern packte, um sie zu stützen.
»Er hat Lobo schon vor Stunden geholt«, sagte Charlie. Sein zerfurchtes altes Gesicht wirkte im Mondschein besorgt. »Ich wecke die anderen Männer, damit wir sofort bei Sonnenaufgang satteln und nach ihm suchen können.«
»Ich komme mit euch«, erklärte Rue, als habe ihr irgendjemand einen Grund zu Widerspruch gegeben. »Ich finde, wir sollten sofort beginnen.«
»Mr Haynes hat mich schwören lassen, dass ich auf Sie aufpasse«, sagte Charlie starrsinnig. »Und wenn Sie in der Dunkelheit über gefährliches Gelände reiten, ist das nicht meine Vorstellung, wie ich mein Versprechen halten sollte.«
Rues Herz blieb für einen Moment stehen, und ihre Augen weiteten sich. »Farley hat Sie gebeten, auf mich aufzupassen?«
»Richtig.« Charlie nickte. »Also, gehen Sie jetzt zurück ins Haus, bis wir losreiten können.«
Rue kämpfte heftig ihre Instinkte nieder, die sie drängten, etwas anderes zu tun. Sie gehorchte. Starr ging sie zum Haus, machte Kaffee, trank eine Tasse und lief dann ins Bad, um sich zu übergeben.
Das schloss ein Frühstück aus, und ihre Knie waren zu wackelig, um auf und ab gehen zu können. Sie setzte sich an den Küchentisch und legte den Kopf auf ihre Arme.
Das schrille Klingeln des
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