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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Lilly«, drängte Charlie, »der Mann hat doch Schmerzen.«
    »Na gut«, schnaubte sie, ließ den Toast, den sie in der Hand hielt, auf den Teller fallen und stand auf. Doch als sie das ernste Gesicht ihres Bruders sah, zögerte sie und fügte widerwillig hinzu: »Es ist lieb von dir, dass du an Mr Timms denkst.«
    Eine halbe Stunde später stand Lilly in Mr Timms kleiner Küche in einem der Marlowschen Reihenhäuser, in denen einige der ältesten Bediensteten der Marlows wohnten.
    »Sie sollten sich noch ein bisschen ausruhen, Mr Timms«, riet sie und packte ihre Instrumente und Fläschchen wieder ein.
    »Ausruhen? Mich werden Sie nicht auf der faulen Haut liegen sehen. Glauben Sie, die Stachelbeeren pflücken sich von selbst? Das Viehzeug holt sich die besten Früchte, bevor du den Kopf drehst, und der Garten vertrocknet wie 'ne Wüste.«
    Charlie setzte sich neben ihn und sagte: »Ich kann Ihnen doch helfen, Mr Timms.«
    »Nee, du wirst doch zu Hause gebraucht, oder? Aber du fehlst mir schwer. Du bist ein prima Arbeiter, Charlie Haswell. Das kannst du dir merken.«
    Charlie lächelte und blickte zu Boden. Er war verlegen und stolz zugleich.
    Lilly sagte: »Es tut mir leid, Mr Timms, aber mein Vater und ich …«
    »Keine Ursache, Miss. Ich weiß, wie das is. Der Vater is malad, war's nich so? Ich weiß gut, was das heißt.«
    Lilly schloss die Tasche zum Zeichen dafür, dass sie gehen wollte. »Ich hoffe, dass jetzt alles wieder in bester Ordnung ist.«
    »Kein Zweifel dran. Danke auch, Miss. Bin froh, dass ich die dumme alte Beule los bin.«
    Sie verabschiedeten sich von dem runzeligen alten Gärtner und gingen zur Tür.
    »Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass er gar nich so schlimm ist«, sagte Charlie.
    »Du hattest recht, Charlie. Und dass er schlechte Laune hatte, ist ja kein Wunder, wenn man Tag und Nacht solche Schmerzen hat.«
    Es war ein schöner, milder Tag, deshalb schlenderten sie noch über den Rasen zu dem im strengen Stil angelegten Ziergarten und Charlie zeigte ihr hier und dort eine Pflanze, bei deren Pflege er geholfen hatte. Plötzlich hörte Lilly einen Hund bellen, erst warnend, dann immer wütender. Ein Mann rief mit strenger Stimme, aus der jedoch unverkennbar die Angst herauszuhören war: »Zurück, sage ich! Zurück!«
    »Oh nein!« Lilly lief die Straße hinunter. Hinter der Kurve sah sie Dr. Graves, mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt. Der Mastiff der Marlows, fast so groß wie ein Pony und mit riesigem Kopf, stand auf den Hinterbeinen, seine vorderen Pranken fest gegen den Brustkorb des Mannes gestemmt.
    »Dotty, aus!«, rief Lilly mit ruhiger Autorität in der Stimme. »Sofort runter!«
    Dotty winselte, sabberte und ließ sich auf alle Viere hinunter. Charlie lief hin und packte den braun-schwarz gefleckten Hund am Halsband.
    Lilly sagte: »Bind sie im Stall an, Charlie, ja?«
    »Komm schon, Dotty, mein Mädchen«, lockte Charlie und führte den großen Hund weg.
    »Dotty?«, rief Dr. Graves aus. »Welcher Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, nennt ein solches Monster Dotty ?«
    »Die Marlows fallen ein bisschen aus dem Rahmen, was Humor und noch einige andere Dinge angeht«, sagte sie und trat näher, um ihn genauer anzusehen. Doch außer zwei schmutzigen Pfotenabdrücken auf seinem makellosen Mantel wirkte er unversehrt. »Geht es Ihnen gut?«
    »Sie meinen außer der entsetzlichen Demütigung und der Tatsache, dass mein Herz wie ein flüchtender Hase rast?«
    »Ja.«
    Er zog ein Taschentuch heraus und wischte sich einen dicken Klecks Hundespeichel von der Wange. »Ich wollte eigentlich zu Sir Henry. Ich wusste nicht, dass das ein so gefährliches Unterfangen ist.«
    Sie nahm ihm das Taschentuch aus der Hand. »Sie haben da noch ein bisschen Dreck …« Sie wischte ihm den Schmutz von Hals und Kragen. Sein Adamsapfel hüpfte und seine Pupillen weiteten sich. Als ihr klar wurde, was sie da tat, schluckte sie und gab ihm sein Taschentuch zurück.
    Seine Augen begegneten den ihren, aber er wandte den Blick gleich wieder ab. Sie bemühte sich, gelassen zu wirken, aber er spürte, dass sie sich für ihre Ungeniertheit schämte.
    Er räusperte sich. »Sie sind eine ganz besondere Frau, Miss Haswell.«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die plötzlich ganz trockenen Lippen. Ein verlegenes Schweigen entstand. Um es zu brechen, sagte sie: »Ich fürchte, ihr Mantel ist verdorben.«
    Er war dabei, die Pfotenabdrücke abzuklopfen, hielt aber inne. »Haben Sie eigentlich vor gar

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