Das Geheimnis der Apothekerin
schluckte einen dicken Klumpen Neid hinunter.
»Wirklich?«, fragte Will unschuldig. »Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
Lilly konnte ihren Sarkasmus nicht ganz zügeln. »Und Mr Bromley ebenfalls nicht, wie ich sehe.«
Christina sagte mit einer wegwerfenden Handbewegung: »Ach, er hat sich vor zwei Jahren um ihre Gunst bemüht und ist gründlich abgeblitzt. Du hast nichts von ihr zu fürchten, Lillian.«
Hatte sie das wirklich nicht? Lilly sah Mr Bromleys ehrfürchtigen Gesichtsausdruck und war sich keineswegs sicher.
Während sie noch zu den beiden hinüberschaute, bot Roger Bromley Miss Whittier seinen Arm. Sie tätschelte ihn, als sei er der Kopf eines Kindes, lachte und wirbelte in wehendem blauen Satin davon. Selbst von ihrem entfernten Platz aus konnte Lilly erkennen, wie niedergeschlagen der Mann war.
Er sah zu ihnen hinüber.
In dem Bemühen, ihn nicht merken zu lassen, dass sie seine Abfuhr beobachtet hatten, begannen die drei augenblicklich ein lebhaftes Gespräch. Doch als Bromley den Raum durchquert hatte und vor ihnen stand, lag ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht.
»Price-Winters, Sie Scheusal«, begann er, »belegen die beiden hübschesten Damen auf diesem Ball mit Beschlag. Unsere Gastgeberin wäre bestimmt nicht einverstanden damit.« Er verbeugte sich vor Christina. »Miss Price-Winters.«
»Bromley.«
Dann wandte er sich an Lilly. »Und Miss Haswell. Welch eine Freude. Ich hoffe, Sie haben wenigstens einen einzigen Tanz für mich Armen reserviert?«
Sie antwortete freundlich: »Natürlich habe ich das.«
Mr Bromley war einer ihrer häufigsten Begleiter geworden. Er war ein eleganter, schlanker junger Mann von mittlerer Größe und mit untadeliger Haltung. Glattes braunes Haar umgab ein Gesicht mit klassischen englischen Gesichtszügen. Nicht zuletzt war er der einzige Sohn einer wohlhabenden Familie, wie ihre Tante nicht müde wurde zu erwähnen. Als ob Lilly das nötig gehabt hätte.
»Ausgezeichnet«, sagte er. »Dann hätte ich gern den nächsten und den letzten und so viele wie möglich dazwischen, wenn die Anstandsdamen gerade nicht hersehen.«
Sie lächelte ihn an und das Lächeln, das er ihr zur Erwiderung schenkte, erreichte fast seine Augen. Sie betrachtete eingehend sein Gesicht und fragte sich, welches Verhältnis wohl zwischen ihm und der schönen Miss Whittier bestand.
Am Ende des Abends stand Lilly allein und hielt verstohlen Ausschau nach Mr Bromley, der den letzten Tanz für sich reserviert hatte. Die ersten Töne eines langsamen, feierlichen Menuetts waren bereits zu hören.
William Price-Winters eilte vorbei. Als er sie sah, blieb er stehen. »Miss Haswell. Sie setzen diesen Tanz doch wohl nicht aus, hoffe ich? Ach ja, richtig. Bromley hat ihn ja reserviert. Wo steckt er denn?«
»Ich weiß es nicht.«
In diesem Augenblick gingen Roger Bromley und Susan Whittier an ihnen vorbei auf die Tanzfläche.
Will sah sie ebenfalls. »O! Nun ja.«
»Sie hat ihm also doch noch einen Tanz geschenkt«, sagte Lilly. »Wie schön für Mr Bromley.«
Aber Will ließ sich nicht hinters Licht führen.
»Es tut mir leid, Miss Haswell. Meine Frau wartet, andernfalls …«
»Aber nein, Mr Price-Winters. Ich habe heute Abend wirklich mehr als genug getanzt.«
»Moment«, sagte Will triumphierend, »da ist ja Graves. Er wird mit Ihnen tanzen.«
»Wirklich, ich bin absolut …«
Will packte einen in der Nähe stehenden Mann, den sie noch nie gesehen hatte, am Arm und drehte ihn um, sodass sie sein Gesicht sah. Ein ausnehmend gut aussehendes Gesicht. Eine schmale Nase. Hellblondes Haar, das ihm über die rechte Schläfe fiel. Ein schmaler Oberlippenbart, obwohl der zurzeit aus der Mode war. »Darf ich Ihnen Adam Graves vorstellen. Wir waren zusammen in Oxford. Das ist Miss Haswell. Das bei Weitem vernünftigste Mädchen auf diesem Ball, das kannst du mir glauben.« Will nickte ihr zu. »Auch wenn sie die Freundin meiner Schwester ist.«
Lilly knickste vor der neuen Bekanntschaft. Als sie aufsah, stand der blonde Mann noch immer da wie zuvor und starrte sie aus erschrockenen blauen Augen an. Nach ein paar angespannten Sekunden nickte er ihr ruckartig zu.
Will klopfte Graves auf die Schulter. »Guter Mann.« Dann ging er fort, um seine Frau zu suchen, die schließlich doch noch heruntergekommen war.
Der Mann stand noch immer stocksteif da. Er bot ihr weder seinen Arm noch sprach er ein einziges Wort. Ein verlegenes Schweigen breitete sich aus. Lilly spürte, wie
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