Das Geheimnis der Apothekerin
Sie auch nicht. Es ist noch ein Weilchen hin bis zum Dinner.«
Sie hatte gerade ihre Fingerspitzen auf den Arm gelegt, den er ihr bot, als Susan Whittier auf die Veranda heraustrat.
»Roger? Ich fragte mich gerade, wohin du wohl gegangen bist. Oh. Hallo.«
»Sie erinnern sich an Miss Haswell?«
»Ja. Erfreut, Sie zu sehen«, sagte die hübsche Blondine. »Ich wusste nicht, dass Sie auch zu der Party kommen.«
»Ich bin nicht …«
»Miss Haswell ist Mr Marlows Nachbarin. Was denken Sie, warum ich so bereitwillig mitkommen wollte nach … wo sind wir noch mal?«
»Bedsley Priors.«
»Bedsley Priors. Ein bezaubernder Ort.« Er blinzelte Lilly zu.
»Haben Sie ihn nicht gefunden?« Die vertraute Stimme von Roderick Marlow ließ Lillys Lächeln erlöschen. Ihr Herz begann, unangenehm zu klopfen, als er in Abendkleidung auf die Veranda trat, die Krawatte und das Haar in eleganter Unordnung.
Susan Whittier sagte: »Ja. Aber er ist beschäftigt, wie Sie sehen, mit Ihrer Miss Haswell.«
Marlow drehte sich um und starrte sie an. Seine dunklen Brauen hoben sich erst und sanken dann wieder vor Überraschung … oder war es Ärger? Lilly spürte, wie sie rot wurde.
» Meine Miss Haswell?«, wiederholte Mr Marlow.
»Sie ist doch Ihre Nachbarin, oder nicht?«
Miss Whittiers Stimme klang schon beinahe anklagend. Er wiegte nachdenklich den Kopf. »Ja, das stimmt. Miss Haswell, welch eine Überraschung.« Er verbeugte sich.
»Verzeihen Sie mir, ich wusste nicht, dass Sie Gäste haben.«
»Keine Ursache. Ich meinte nicht, dass es keine angenehme Überraschung ist. Ich freue mich, dass Sie da sind. Ich hatte völlig vergessen, dass Sie Freunde unter uns haben.«
»Unsere Bekanntschaft besteht erst seit Kurzem«, informierte ihn Miss Whittier. »Sie entschuldigen mich. Wir sehen uns dann beim Dinner.« Damit drehte sie sich brüsk um und verschwand.
Mr Bromley legte seine Hand über Lillys und geleitete sie auf die Veranda, wo Mr Marlow stand. Dort blieb er stehen und strahlte sie an. »Miss Haswell hat mir das Herz gebrochen, Marlow. Hat man es dir nicht erzählt? Sie hat mich auf grausamste Art abgewiesen.«
»Ach wirklich?« Wieder hoben sich Mr Marlows dunkle Augenbrauen.
Roger seufzte dramatisch. »Ja. Und trotzdem freue ich mich unbändig, sie zu sehen.«
Da sie spürte, dass Mr Marlow sie ansah, beeilte Lilly sich zu sagen: »Ich wollte Sie eigentlich nur ganz kurz sprechen. Ich werde ein anderes Mal wiederkommen.«
»Unsinn, Sie bleiben«, beharrte Roger.
»Selbstverständlich«, sagte Mr Marlow höflich. »Kommen Sie, Miss Haswell.« Er deutete auf die Tür. »Sollen wir in die Bibliothek gehen? Dort können Sie dann auch Ihren leidenschaftlichen Verehrer wieder treffen.« Marlow warf einen hinterlistigen Blick auf Roger Bromley. »Obwohl ich eigentlich gehofft hatte, meine Zehn beim Whist zurückzugewinnen.«
»Ein anderes Mal, mein Freund«, grinste Roger. »Wer will schon spielen, wenn eine solche Schönheit anwesend ist?«
Lilly hätte beinahe die Augen verdreht.
»Kommen Sie, Miss Haswell.« Roderick Marlow öffnete ihr mit einem Lächeln die Tür, als begrüße er die Königin persönlich. Machte er sich über sie lustig?
Als sie mit ihm allein in der Bibliothek war, schluckte Lilly erst einmal schwer. Sie fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, sich mit ihm allein zurückzuziehen.
Mr Marlow war stehen geblieben, lehnte sich jedoch entspannt gegen einen großen Schreibtisch, die Arme verschränkt. Er deutete mit dem Kinn auf einen Stuhl: »Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
Sie trat näher, blieb aber ebenfalls stehen. »Über meinen Bruder Charlie.«
Als er sie nicht zu verstehen schien, erläutert sie: »Ihren neuen Hilfsgärtner.«
»Ach so, ja. Stedman hat so etwas gesagt. Er meinte, der Junge mache sich ausnehmend gut. Gibt es ein Problem?«
»Eigentlich nicht. Aber, so sehr ich Ihr Angebot, ihn einzustellen, auch schätze, wir brauchen Charlie im Moment dringend zu Hause. Mein Vater hat im Moment nicht genügend Arbeitskräfte und es gibt viel zu tun.«
»Ja, ich habe gehört, dass die Haswellsche Apotheke etwas heruntergekommen sei.«
Sie verbiss sich eine verteidigende Antwort. Was er sagte, stimmte, aber es verletzte trotzdem ihren Stolz, es so sachlich ausgesprochen zu hören. »Ja. Ich weiß, dass Sie auf das Lehrgeld verzichtet haben. Und mein Bruder ist sehr gewissenhaft. Er möchte seinen Vertrag nicht brechen und natürlich auch nicht die Chance auf eine
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