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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Jahren hat dieser Laden einem Haswell gehört, und jetzt …«
    »Vater, die Apotheke wird nicht aufhören zu existieren. Aber jetzt musst du erst einmal wieder zu Kräften kommen. Und das schaffst du nicht mit Jammern und Schimpfen.«
    »Kleine Tyrannin. Du klingst wie ein Arzt.«
    »Nein, ich klinge wie du.« Sie lächelte. »Oder sogar noch schlimmer.«

25

    Es wird empfohlen, den Aderlass am liegenden Patienten durchzuführen.
Was kann man, sollte jemand unter diesen Umständen das Bewusst-
sein verlieren, tun, um ihn wieder zu sich zu bringen?
    Mrs Beeton's Book of Household Management
    Sie hatte die Frau noch nie gesehen, doch da saß sie im Haswellschen Behandlungszimmer und beschrieb Lilly freimütig und bis in alle Einzelheiten all ihre Frauenwehwehchen und -beschwerden.
    »Ich bin überzeugt, das Einzige, was ich brauche, ist ein ordentlicher Aderlass«, sagte die Frau des Werftarbeiters. »Wenn Sie mich fragen, es gibt nichts Besseres, um die Säfte wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ich war bei Dr. Foster, aber der ist ja schlimmer als ein gereizter Schuldirektor. Mir gefällt der Gedanke, dass eine Frau Apotheker ist. Es ist so viel leichter, mit einer Frau über seine Tage zu sprechen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Lilly brachte ein schwaches Lächeln zustande. Sie hatte darauf bestanden, dass ihr Vater das Behandlungszimmer frei machte und wieder sein Schlafzimmer bezog und hatte es als einen kleinen Sieg betrachtet, als er schließlich zugestimmt hatte. In seinem Bett hatte er nicht nur sehr viel mehr Ruhe, jetzt war auch das Behandlungszimmer frei für private Gespräche und Untersuchungen. Die Idee hatte durchaus reizvoll geklungen. In der Theorie zumindest.
    »Sie sind also schon öfter zur Ader gelassen worden«, begann Lilly nervös. »Wurde das Blut aus dem Ellbogen, dem Schenkel oder dem Hals entnommen?«
    »Einmal aus meinem Schenkel. Hat teuflisch wehgetan, damals! Nicht am Hals, wenn ich bitten dürfte; ich möchte meinen Mantel nicht verderben.«
    »Ich werde die Innenseite des Ellbogens nehmen.« Lilly klopfte das Herz bis zum Hals und sie spürte, wie sie höchst undamenhaft anfing zu schwitzen. Mit Blutegeln konnte sie umgehen. Quaddeln und Pflaster, alles schön und gut. Aber das Messer? Einfach in einen Menschen hineinschneiden? Und dann nicht nur einen Tropfen Blut fließen, sondern eine richtige Quelle sprudeln zu lassen, würde sie das hinbekommen? Vielleicht sogar einen Sturzbach, wenn sie das doppelschneidige Skalpell verwendete. Der Gedanke ließ sie zusammenzucken.
    Sie fing an, den Arm der Frau abzuwaschen – das immerhin konnte sie. Dann ließ sie sie auf dem Stuhl Platz nehmen, auf den sich die Patienten, die zur Ader gelassen werden sollten, setzen mussten, falls sie in Ohnmacht fielen. Als Nächstes bot sie ihr noch einen Schluck Wasser an. Dann legte sie ihren Ellbogen auf den kleinen Rolltisch, der für diesen Zweck vorgesehen war. Sie nahm das Messer und die Blutauffangschale mit den zwei Griffen und setzte sich auf den Stuhl, auf den ihr Vater sich zu setzen pflegte, um zu tun, was sie jetzt vorhatte. Wenn nur ihre Hände aufhören würden zu zittern.
    Mit zitternden Beinen stand sie noch einmal auf. »Würden Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen, Mrs Hagar?«
    Die Frau nickte, sie hatte die Augen geschlossen. »Wenn Sie ein Schlückchen Gin hätten, hätte ich nichts dagegen. Es nimmt so schön den Schmerz.«
    Lilly ignorierte diese Bitte und lief rasch die Treppe zum Schlafzimmer ihres Vaters hinauf. Er blickte ihr über den Rand eines Buches entgegen. »Ein Aderlass, Vater. Ich kann es nicht.«
    »Natürlich kannst du das. Du hast mir tausendmal zugeschaut.«
    »Das heißt nicht, dass ich es selbst tun kann.« Plötzlich fiel ihr Mr Shuttleworth ein. Vielleicht würde er es für sie machen.
    »Und außerdem hast du das Vorgehen, wie es im Buch beschrieben ist, wahrscheinlich auswendig gelernt.«
    »Ja, aber die Worte zu wiederholen, ist nicht das Gleiche, wie es wirklich zu tun.«
    »Lilly, wir können es uns nicht leisten, Patienten abzulehnen oder zu unserem Konkurrenten zu schicken.«
    Soviel zu der Idee, Mr Shuttleworth zu fragen … »Dann komm mit runter und mach es selbst!«
    Er schnaubte. »Gern!« Mit einem Ellbogen brachte er sich mühsam in eine sitzende Position, aber sein Arm zitterte danach vor Anstrengung. Dann saß er auf dem Bett, heftig atmend, und wappnete sich gegen den Schmerz des Aufstehens.
    Ihr Herz blutete bei dem Anblick.

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