Das Geheimnis der Apothekerin
das schön gearbeitete Gefäß betrachtete, sagte er: »Die schönsten Blutegelgefäße kommen aus Staffordshire. Ich kann Ihnen eins bestellen, wenn Sie möchten.«
»Oh – nein, danke. Es genügt mir, Ihres zu bewundern.«
Mr Shuttleworth öffnete den Deckel, holte einen nassen Egel heraus und hielt ihn hoch, damit sie ihn anschauen konnte. Der wurmähnliche Körper war schmutziggrün mit gelben Streifen und so dick wie ihr Zeigefinger.
»Bescheidene, aber hart arbeitende Geschöpfe wie diese verdienen ein elegantes Ambiente.« Er zwinkerte und zupfte an seiner Weste. »Wie ich, oder? Und wie wollen Sie ihre neuen Freunde nach Hause transportieren?«
Ärgerlich über sich selbst hob sie ihr Täschchen hoch. »Daran habe ich nicht gedacht. Ich habe nur dies hier.«
Er lachte wieder. »Warum nicht? Ich lege einfach ein paar in ein kleines Gefäß und zu Hause siedeln Sie sie dann in ein geeignetes um.«
»Ich fürchte, unser armseliger Topf kann nicht mit Ihrem mithalten.«
Bei diesem Lob schimmerten seine langen Zähne. »Danke. Das haben Sie sehr nett gesagt.«
Eine Viertelstunde später trat Lilly mit ihrem eigenen Blutegelgefäß, das sie gereinigt und gefüllt hatte, in das Sprechzimmer ihres Vaters.
»So, da wären wir. Fünf dicke H. medicinalis .«
»Nur fünf?«
»Es gibt einen Engpass. Die Franzosen können offenbar nicht genug davon bekommen. Blutegel sind in Frankreich gerade groß in Mode, die Ärzte setzen manchmal fünfzig auf einmal an einem Patienten an und salzen sie dann.«
Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Auf diese Weise erbrechen sie das Blut und können wiederverwendet werden. Aber wenn man sie zu stark salzt, gehen sie ein.«
»Genau. Also müssen wir mit fünf sehr hungrigen deutschen Blutegeln auskommen. Wird das genügen?«
»Ja, ich denke schon.«
Während sie weg war, hatte er bereits seinen Brustkorb gewaschen. Sie holte die Egel aus dem feuchten Gefäß und ließ sie ein paar Minuten über ein Tuch kriechen, damit sie trockneten. Auf dem Tischchen neben der Liege hatte sie ein Gefäß mit Milch, Weingläser und ein Skalpell zurechtgelegt.
Sie setzte ihrem Vater den ersten Egel auf die Brust, dann einen zweiten. Dann nahm sie den dritten von dem Tuch, doch als sie sich umdrehte, sah sie, dass die beiden anderen dabei waren, wegzukriechen. Der erste hatte sich zum Hals ihres Vaters aufgemacht, der dritte kroch in Richtung Taille.
Ach du Schreck, die Gläser!
Einen nach dem anderen setzte sie die Egel unter einem kleinen, umgedrehten Weinglas gefangen und sorgte so dafür, dass jeder da blieb, wo er sein sollte. Sie hatte das Gefühl, eine Zirkusnummer in Astley's Royal Amphitheater aufzuführen. Als müsse sie Teller, die sich auf Stöcken drehten, in Bewegung halten, damit sie nicht herunterfielen.
Schließlich hielt sie inne, beide Hände gespreizt. »So!«
»Gut, solange ich keine plötzliche Bewegung mache oder husten muss«, sagte ihr Vater.
»Und solange du nicht redest. Halt ganz still.«
»Es kitzelt teuflisch, aber sie beißen nicht.«
Stirnrunzelnd entfernte sie das erste Weinglas, gab einen Tropfen Milch auf den Flecken Haut und stülpte das Glas wieder über den Egel.
Immer noch nichts. Sie hatte so gehofft, dass sie das Skalpell nicht anwenden musste. Der Gedanke, ihren Vater auch nur oberflächlich zu schneiden, verursachte ihr Übelkeit.
Plötzlich fiel ihr etwas ein, das sie in Mr Lipperts Laden gehört hatte. Sie drehte sich um und lief zur Tür. »Nicht bewegen!«
»Wo gehst du hin?«
»Zum Teeservice.«
»Tee … jetzt?«
Sie kam mit der Zuckerschale zurück und rührte einen Teelöffel voll in die Milch. Die gezuckerte Milch hatte schließlich den gewünschten Effekt und ein Egel nach dem anderen biss ihren Vater, wie sein fünfmaliges leichtes Aufstöhnen bewies.
Als sie sicher war, dass alle angelegt waren, nahm sie die Weingläser ab und stellte sie auf das Beistelltischchen. »Wir lassen sie so lange saugen, bis sie von selbst abfallen«, sagte er.
»Gut. Ist dir warm genug?« Sie holte eine große Decke, die über einem Stuhl hing, und legte sie ihm über die Beine.
»Danke, mein Liebes.« Er seufzte. »Wenn du doch nur ein Junge geworden wärst. Der Sohn, dem ich mein Geschäft hätte hinterlassen könnte.«
»Schhh! Du wirst bald wieder auf den Beinen sein und dein Geschäft wieder selbst führen.«
»Aber wie lange? Und wozu? Was soll ein Nachlass, wenn man niemand hat, dem man ihn hinterlassen kann? Seit fast hundert
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