Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Blick auf die wachsbleichen, verzerrten Züge des Mönchs fiel, der ihn aus glanzlosen Augen anstarrte. Hellrote Bläschen hingen an seinen schön geschwungenen Lippen, aus denen ein schwaches, rasselndes Geräusch hervordrang. Auf seinem Skapulier war keine Wunde zu entdecken, doch als Bandolf ihn losließ, fand er seine Hände blutverschmiert.
Noch lebte der Prior. Doch Bandolf bezweifelte, dass er sich jemals wieder an einem Novizen würde vergreifen können.
Mit einem grimmigen Schnauben hob er seinen Dolch auf und steckte ihn in die Scheide an seinem Gürtel zurück.
»Der Lohn für Euren Verrat am König fiel wohl anders aus als erwartet«, brummte er.
Zu seinem Erstaunen glitt der Hauch eines Lächelns über Prior Ordlafs schmerzverzerrte Züge.
»… habe … schwere Sünden … auf meine Seele geladen … Burggraf.« Die Worte kamen leise, stoßweise und begleitet von blutig schäumendem Speichel aus seinem Mund. »Diese … aber nicht … ich schwöre bei allem … was mir heilig ist.«
»Und das soll ich Euch glauben?« Zornig schüttelte Bandolf den Kopf. »Ihr musstet Euer ehemaliges Kloster verlassen, weil Ihr einer abscheulichen Neigung fröntet. Vermutlich hätte man Euch verziehen, hättet Ihr Euch nur einmal an einem der jungen Novizen vergangen, aber Ihr konntet Eure Finger nicht davon lassen. Doch die Fleischeslust war nicht Eure einzige Sünde, habe ich recht? Ihr wart auch von Ehrgeiz beseelt, wolltet hoch hinaus. Aber in Magdeburg waren bereits Gerüchte über Eure Vergehen laut geworden. Also seid Ihr nach Sankt Mauritius gekommen. Ein abgelegenes Kloster, wo man noch nichts von Euch gehört hatte. Niemand sollte hier je von Eurem Geheimnis erfahren.« Schwach hob der Prior die Hand, als wolle er dem Burggrafen Einhalt gebieten, doch Bandolf fuhr unerbittlich fort: »Aber es gab jemanden im Kloster, der um Eure Vergehen wusste, zumal Ihr auch hier nicht von Euren Gelüsten lassen konntet. Und weil er um Euer Geheimnis wusste, konnte er Euch das Wissen abpressen, in welcher Truhe der Silberkammer er die Heilige Lanze finden würde, und wann man sie dem jüdischen Kaufmann übergeben wollte.«
»Nein … so ist es nicht … gewesen«, stieß der Prior hervor. »Mein Fleisch ist … schwach … ja … aber ich …« Mühsam rang Bruder Ordlaf nach Atem. »Er wusste darum … hat es gegen mich verwendet … Doch nur, um bevorzugt … Nie hat er wegen der Lanze … gefragt. Ich wusste nicht, dass … er es war, der sie gestohlen hat. … glaubte, es wäre Prosperius … Er muss ein Gespräch … zwischen dem Abt und mir … belauscht haben … Darauf verstand er sich, … andere … zu belauschen.«
Ein Hustenanfall erschütterte seinen Leib, doch Bandolf hatte keine Zeit zu warten, bis er sich erholt hätte.
»Wenn Ihr das gewusst habt, warum habt Ihr dann meinen Schreiber weiterhin in Gewahrsam gehalten und gequält? «, fuhr er ihn an.
»Erst heute, als … die Botschaft kam … reimte ich mir zusammen …«
»Was beinhaltete diese Botschaft?«
»Er hat gedroht … aller Welt … meine Sünden … wenn ich nicht herausfände, wo …« Mit einem Röcheln verstummte Bruder Ordlaf und schloss die Augen, während Bandolf ihn mit zusammengekniffenen Augen anstarrte.
Herr im Himmel!
Seine Ungeduld nur mühsam bezähmend, rüttelte der Burggraf Bruder Ordlaf am Arm. »Ihr müsst wach bleiben, hört Ihr!«, knurrte er und schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, der Herr möge den Prior erst dann zur Hölle schicken, wenn Bandolf mit ihm fertig wäre.
Endlich schlug der Mönch die Augen wieder auf.
»Diese Botschaft«, drängte Bandolf. »Sie wollten wissen, welche Orte die Novizen beim Spiel in der Bärenhöhle bevorzugt hätten, die sich als Versteck für die Lanze eignen würden. Habe ich recht? Aber woher wussten sie, welche der vier Höhlen die richtige war?«
»… wusste es nicht … hat ihm offenbar nur gesagt … dort, wo kein Tageslicht hinkäme …«, brachte Bruder Ordlaf hervor.
Natürlich! Sie hatten alle Höhlen absuchen müssen. Und da die Bärenhöhle am weitesten von Liutbirgs Klause entfernt lag, war sie als letzte an der Reihe gewesen. Deshalb also war das Versteck nicht früher aufgespürt worden.
Grübelnd kniff Bandolf die Augen zusammen.
Ingild hatte die Buchenburg verlassen, sobald sie es unbemerkt hatte tun können. Auf diese Weise hatten die Verschwörer erfahren, dass der Erzbischof von Bamberg bei Bandolf eingetroffen war. Die Nachricht musste sie
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