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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Männern hinterher, die im Kielwasser des Kämmerers den Hof verließen.
     
    Der Heilerin blieb keine Zeit, sich ihrem eigenen Kummer hinzugeben. Filibertas Wehgeschrei, als sie die Nachricht
hörte, hallte durch das ganze Haus, während die junge Hildrun verstört die Hände rang und ein ums andere Mal beteuerte, es wäre gewiss nicht ihre Schuld, dass die Herrin tot sei, der Kurze Thomas wie waidwund durch die Halle schlich, und der Hausmeier düster vom Schicksal all jener berichtete, die der Fluss zu sich geholt hatte.
    Nach einer Weile gelang es Garsende, die Hauseigenen mit einer Beschäftigung aus der Halle zu scheuchen und Filiberta ein paar Schlucke Wein einzuflößen, den sie mit Mohnsaft versetzt hatte. Allmählich verebbte der Tränenstrom der Magd, und endlich schlief sie, auf der Bank zusammengekauert und den Kopf in ihre Armbeugen gebettet, ein.
    Die Glocken der Stadt riefen zur Sext, als Garsende nach einem letzten Blick auf die schlafende Filiberta schließlich die Halle verließ. Während sie die Treppe zur Schlafkammer der Burggräfin hinaufstieg, war ihr, als müsse sie sich durch einen dichten Nebel vorantasten. Selten hatte sie sich so erschöpft an Leib und Seele gefühlt. Ihr Kopf schien völlig leer zu sein.
    Kaum hatte sie jedoch die Kammer betreten, traf ihr Blick auf den verhängnisvollen Umhang der Burggräfin, den sie – vor Ewigkeiten, wie es schien – auf die Truhe vor der Bettstatt gelegt hatte, und mit einem Mal fiel all die Trauer und Verzweiflung wie ein Rudel hungriger Wölfe über sie her.
    Mit einem leisen Jammerlaut ließ Garsende sich auf die Bettstatt sinken und barg ihr Gesicht in den Händen.
    Aber die erlösenden Tränen wollten nicht kommen.
    Schmerzliche Gedanken und Bilder wirbelten durch ihren Kopf, beängstigend und ungreifbar wie Nachtgespenster. Bald sah sie die Burggräfin noch voller Leben vor sich, hörte sie lachen und hörte ihre warme Stimme, bald sah sie
ihre Züge bleich und leblos unter Wasser, sah ihre rehbraunen Augen in stummer Klage auf sich gerichtet.
    Garsende ballte ihre Hände zu Fäusten und presste sie sich in die tränenlosen Augen, bis schwarze Flecken hinter ihren Lidern die Bilder auslöschten.
    ›Ich hätte bei ihr bleiben müssen! Ich hätte sie niemals allein lassen dürfen! Zumindest hätte ich darauf bestehen müssen, dass eine der Mägde sie begleitet!‹
    Und das Kind …
    Garsende stöhnte auf, ihre Fäuste fielen kraftlos auf ihren Schoß.
    Der Burggraf hatte Matthäa ihrer Obhut anvertraut, und sie hatte entsetzlich versagt.
    Heilige Muttergottes, wie hatte sie nur zulassen können, dass so etwas geschah? Und wie, in aller Welt, sollte sie es nur über sich bringen, dem Burggrafen zu erklären, dass seine Gattin und sein ungeborenes Kind tot auf dem Grund des Rheins lagen? Dass niemand nach ihrem Leichnam suchte und er nicht einmal den Trost eines Grabes haben würde, an dem er trauern und beten konnte?
    Ach, wäre sie an jenem Tag doch nur nicht in ihre Hütte gegangen, dann wäre nichts von alledem passiert!
    Eine Weile gab sich Garsende der Selbstzerfleischung hin, die ihren Gram mehrte und ihn zugleich doch erträglicher zu machen schien.
    Dann, allmählich, blitzten Fragen durch ihren Kummer.
    Wie hatte das geschehen können? Warum war Matthäa nicht zur Witwe des Kesselflickers gegangen, wie sie es vorgehabt hatte? Und falls sie ein anderes Ziel im Auge gehabt hatte, warum hatte sie es verschwiegen? Geheimniskrämerei lag doch eigentlich gar nicht in Matthäas Art. Was konnte sie veranlasst haben, die Stadt zu verlassen? Und warum war sie ausgerechnet zum Fluss gegangen?

    Auch wenn es schon so lange nicht mehr geregnet hatte, war das Flussufer doch immer feucht und schlammig. Zähe, hohe Gräser und dichtes Gestrüpp verbargen den tückischen Boden, der von Rinnsalen und mit Wasser gefüllten Untiefen durchzogen war. Wie leicht man dort ausgleiten konnte, hatte die Burggräfin gewusst.
    Mit einem Mal runzelte Garsende die Stirn.
    Matthäa hatte ihr erstes Kind verloren, als sie die Treppe im Haus hinuntergestürzt war. Nachdem sie ein zweites Mal schwanger geworden war, hatte sie nichts mehr gefürchtet, als ihr Kind erneut durch einen Sturz zu verlieren, und war besonders achtsam gewesen. Hätte sie sich angesichts dieser Umstände tatsächlich den Gefahren am Flussufer ausgesetzt? Unbegreiflich!
    Langsam schüttelte Garsende den Kopf. Das ging nicht zusammen. Irgendetwas stimmte da nicht.
    War die Burggräfin am Ende gar

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