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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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… nun, unangenehm.« Offenbar im Bemühen, sich besser zu erklären, runzelte Melisend die Stirn. »Nicht, dass der junge Mönch unfreundlich gewesen wäre oder auf irgendeine Weise bösartig.« Sie stockte und verbesserte sich: »Zumindest nicht offenkundig bösartig, versteht Ihr? Bruder Adelbald erschien mir einfach zu zuvorkommend, zu liebenswürdig, zu aufmerksam, geradezu liebedienerisch.«
    ›Ein Speichellecker also‹, übersetzte Bandolf für sich.
    »Oft habe ich bemerkt, wie er in der Kirche mit andächtiger Miene die Lippen zum Vaterunser bewegte, während er unter seinen gesenkten Lidern scharf beobachtete, was seine Mitbrüder taten.«
    ›Und ein Heuchler obendrein‹, dachte Bandolf. Laut fragte er: »Habt Ihr ihn denn je bei einer Unregelmäßigkeit ertappt? Oder bemerkt, dass er mit einem seiner Mitbrüder im Streit lag?«
    Melisend schüttelte den Kopf. »Wenn auch …« Mit einem neuerlichen Kopfschütteln verstummte sie.
    »Wenn auch …?«, beharrte der Burggraf.
    Unwirsch hob Melisend beide Hände. »Es war kein Streit. Nur ein paar leise Worte, die der Prior mit Bruder Adelbald wechselte und die ich durch Zufall hörte.«
    »Die Euch aber offenbar im Gedächtnis blieben«, stellte Bandolf fest. »Worum ging es bei dem Gespräch?«
    »Das kann ich Euch nicht sagen. Ich war auf dem Weg zur Kirchentür. Die beiden Männer standen dort in der Nähe hinter einem Pfeiler und konnten mich wohl nicht sehen. Als ich vorüberging, hörte ich nur ein paar Worte«, erklärte sie. »Bruder Adelbald sagte etwas über einen üblen Splitter
im Auge des Priors. Worauf Bruder Ordlaf meinte, Bruder Adelbald solle lieber des Balkens in seinem eigenen Auge gedenken, ehe er nach Splittern im Auge eines anderen suche. Das schien Bruder Adelbald zu erheitern. Er lachte leise und meinte, just Bruder Ordlaf möge ihm doch keine Reden über Splitter und Balken führen. Er, Adelbald, wüsste genau, um welcher Sündenbalken willen der Prior sein ehemaliges Kloster verlassen hätte. Und käme jener Balken ans Licht, könne sich das als äußerst nachteilig für Bruder Ordlaf erweisen. Zumal er jenen Balken offenkundig noch immer im Auge trüge.« Melisend schlug die Augen nieder. »Was sonst noch gesprochen wurde, konnte ich nicht verstehen. Es war wohl Bruder Adelbalds Tonfall, der mir seine Worte in Erinnerung bleiben ließ. Ein Unterton in der Art, der einem Schauer über den Rücken rieseln lässt.« Als wolle sie ihre Behauptung unterstreichen, schüttelte sie sich.
    Nachdenklich strich sich der Burggraf über den Bart. Demzufolge, was Melisend gehört hatte, war Sankt Mauritius also nicht Bruder Ordlafs ursprüngliches Ordenshaus gewesen? Ein bemerkenswerter Umstand. Mönche waren in der Regel an ihr Kloster gebunden. Sie verließen es nicht ohne triftigen Grund. Was mochte geschehen sein, das den Prior veranlasst hatte, seinem ehemaligen Kloster den Rücken zu kehren? Oder hatte er es nicht freiwillig getan? Es mochte lohnen, dieser Überlegung nachzugehen.
    »Wie es scheint, hütet unser unerschütterlicher Prior also ein Geheimnis. Ein Geheimnis, von dem Adelbald wusste«, murmelte Bandolf gedankenverloren.
    Versonnen lächelnd schüttelte Melisend den Kopf. »Gewiss war es nur üble Nachrede. Wie könnte jemand, den Gott so wohlgestalt erschaffen hat wie den Prior, wohl Übles tun? Nein, dieser junge Mönch war einfach nur ein unangenehmer Mensch.«

    Abrupt verdüsterte sich ihr Gesicht. Sie wandte sich von ihm ab und glitt an ihm vorbei. Mit einem unterdrückten Seufzen über ihren erneuten Stimmungswechsel folgte der Burggraf ihr zur Brüstung. Ihr Schleier flatterte im Wind, der hier oben ständig wehte, und mit einer Hand hielt sie ihn fest, während sie wie abwesend über die sonnengesprenkelten Wipfel der Bäume starrte.
    »Was geht Euch durch den Kopf?«, wollte Bandolf wissen.
    Melisend zuckte mit den Schultern. »Nichts weiter. Nur, dass sich letzten Endes doch alles zum Guten zu wenden scheint.« Als sie sich zu ihm umdrehte, spielte wieder ein undeutbares Lächeln um ihre Lippen.
    Bandolf spürte, wie sich das unangenehme Ziehen in seiner Stirn langsam zum schmerzhaften Klopfen auswuchs.
    »Dann wisst Ihr also doch über Prior Ordlaf Bescheid?«, fragte er gereizt.
    »Das habe ich nicht gesagt«, erklärte Melisend freundlich. »Ich weiß nur, dass Bruder Ordlaf in Sankt Mauritius zum Prior aufgestiegen ist, was doch für seine Klugheit spricht, meint Ihr nicht?« Ihre Lider flatterten, und eine

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