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Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Regina Hübner zu ihrem pfeffergrauen
Auto, das am Rinnstein parkte.
    Kaum dass sie drin saß,
verriegelte sie beide Türen. Sie schob die Tasche unter den Nebensitz, startete
und hätte fast einen Papierkorb gerammt. Der Wagen hatte automatisches
Getriebe, aber richtig fahren — das konnte sie auch jetzt, nach achtjährigem
Besitz eines Führerscheins, immer noch nicht.
    Bockend bewegte der Wagen sich
bis zur Kreuzung. Dort spähte sie kurzsichtig nach rechts und nach links,
obwohl sie sich auf einer Vorfahrtstraße befand und kein anderes Fahrzeug in
der Nähe war.
    Als sie die Straße
hinunterfuhr, überholte sie Karl.
    Er winkte ihr zu und amüsierte
sich über ihr Kennzeichen, eine Schnapszahl. Sie endete auf: 333. Und davor
standen — zufälligerweise — die Initialen (Anfangsbuchstaben) ihres
Namens: RH.

6. Enorm hell auf der Platte
     
    Im Terrassenzimmer der
Eichberg-Villa waren noch dieselben Personen versammelt wie vorhin.
    Katharina schwankte zwischen
Angst und Zuversicht. Ihr Mann, der am Telefon so überzeugend geschwindelt
hatte, zeigte eine steinerne Miene. Karin bewegte stumm die Lippen, als bete
sie für ihr Stiefschwesterchen.
    Pia schluchzte hin und wieder.
Sie steckte noch bis über die Ohren in ihrer Rolle, obwohl Ludmilla sich jetzt
in Barbies Zimmer befand — oben im ersten Stock und damit in völliger
Sicherheit.
    Auf Tarzans Bitte hatte
Kommissar Glockner im Internat angerufen und den EvD (Erzieher vom Dienst) verständigt. Immerhin hatte Tarzan die Arbeitsstunde versäumt und das wäre —
unentschuldigt — ein Verstoß gewesen.
    Gaby saß neben ihrem Vater und
beobachtete die Uhrzeiger. Gegen halb sieben wollte der Kidnapper abermals
anrufen. Bald war es so weit.
    Tarzan saß neben Frau Eichberg
auf der englischen Ledercouch, striegelte ab und zu mit fünf Fingern durch
seine dunklen Locken und dachte nach.
    Bis jetzt war es gut gelaufen.
Offenbar hatte der Kidnapper den Schwindel geschluckt. Beriet er sich mit
seinem oder seinen Komplizen? Würden sie Barbie zurückgeben oder auch von Pia
Lösegeld verlangen? Abwarten!
    Das zerrte zwar höllisch an den
Nerven. Und Geduld gehörte nicht zu Tarzans Tugenden. Aber im Moment konnte er
seine Tatkraft nicht einsetzen.
    Die Köchin, eine rundliche
Frau, steckte den Kopf zur Tür herein und erkundigte sich mit gedämpfter
Stimme, ob sie einen Imbiss bereiten sollte. Sie war blass und hatte verweinte
Augen. Barbie war ihr Liebling. Sollte der Kleinen was geschehen, würde sie aus
dem Kidnapper einen Spießbraten machen. So viel stand fest für sie.
    Niemand hatte Appetit. Aber den
Kaffee, den sie anbot, nahmen alle gern.
    Um 18.41 Uhr schrillte das
Telefon.
    Eichberg stellte rasch seine
Tasse ab, griff zum Hörer und meldete sich. Seine Geste besagte: Es ist der
Kidnapper. »Ja«, meinte er, »Frau Friese ist noch hier. Augenblick.«
    Er reichte ihr den Hörer.
    Pias Augen waren gerötet. Sie
konnte kaum sprechen.
    »Pia Friese«, weinte sie in den
Hörer. »Bitte, sagen Sie mir, wie es Ludmilla geht. Ist sie gesund? Weint sie?
Hat sie... ja? Gut! Verstehe. Oh, Sie sind ein Mensch! Ich danke Ihnen. Ja, ich
werde am Telefon warten. Ich...
    Alle hörten das Knacken in der
Leitung. Der Anrufer hatte aufgelegt.
    Kommissar Glockner hatte so
dicht neben ihr gestanden, dass er jedes Wort mithören konnte.
    »Morgen wird er das Baby
zurückgeben«, sagte er. »Er will Frau Friese nachmittags anrufen und sagen, wo
sie es abholen kann. Von Lösegeld ist nicht mehr die Rede. Das heißt, Tarzan,
dein Trick scheint zu gelingen.«
    »Mein Gott!«, rief Katharina.
»Noch eine ganze Nacht und einen halben Tag! Ich weiß nicht, wie ich das
überstehen soll.«
    »Es wird alles gut werden«,
tröstete ihr Mann. Dann wandte er sich an Tarzan: »Junge, ich kann jetzt noch
nichts sagen. Erst muss Barbie wohlbehalten zurück sein. Aber dann...«
    Impulsiv (lebhaft) stand
er auf und reichte Tarzan die Hand.
    »Ist nicht mein Verdienst«,
wehrte der ab. »Sie und Frau Friese waren am Telefon unglaublich überzeugend.«
    Und zu Pia sagte er: »Ich habe
eine Bitte. Könnte ich verständigt werden, wenn der Kidnapper morgen anruft.
Ich möchte gern dabei sein, wenn Barbie geholt wird.«
    »Selbstverständlich«, sagte der
Kommissar. »Ich rufe dich im Internat an. Sie, Frau Friese, sind sicherlich
einverstanden, wenn ich eine Kriminalbeamtin in Ihrer Wohnung postiere. Nur für
alle Fälle. Und noch etwas muss ich uns allen ans Herz legen, bevor wir
auseinandergehen.

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