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Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Bracht
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allgemeine Verschlossenheit, ihre mangelnde Begeisterung für die neuesten Moden und ihre Gleichgültigkeit hinsichtlich der gesellschaftlichen Gepflogenheiten hatten sie zur Außenseiterin gemacht. So hatte sie sich mit den Jahren mehr und mehr zurückgezogen und überließ es nun dem Grafen, die Gäste allein zu unterhalten.
    Donata stand auf und ging zum Fenster, es stand weit offen. Sie zog die schweren Vorhänge zur Seite und atmete die klare Luft des nahen Winters. Sie fror, aber das machte ihr nichts aus. So spürte sie wenigstens, dass noch Leben in ihr war. Unten im Hof erklang Hufgetrappel. Ein Reiter stieg ab, und an der Art der Schritte erkannte sie Ascanio. Ihre Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, doch sie konnte sehen, dass die Gestalt da unten innehielt und in Richtung ihres Fensters hochblickte. Von welcher Dirne er wohl gerade zurückkam? Es scherte sie nicht. Er hatte sie nie darüber im Zweifel gelassen, dass sie nicht mehr als ein Ersatz war für seine verehrte Vivica. Jedenfalls bis zu dem schlimmsten Tag.
    Ob er genauso litt wie sie? Wenn sie an der Tafel unvermittelt seinen Blick traf, las sie Schmerz und Trauer in seinen Augen. Und die Bitte um Vergebung. Der Conte war ebenso unglücklich wie sie selbst, dessen war sich die Gräfin gewiss. Sie hatten beide ihr Leben verwirkt, jeder auf seine Weise. Und ein strafender Gott sorgte dafür, dass sie jeden Tag aufs Neue für ihre Sünden büßten. Schien es ihr nur so, oder senkte Ascanio den Kopf zum Gruß? Es war ihr gleichgültig. Sie wollte endlich fort von diesem Ort, einfach nur Ruhe finden. Vielleicht würde der Schmerz dann irgendwann nachlassen.
    Donata stöhnte auf und ließ den schweren Brokatstoff aus ihrer Hand gleiten. Ohne sich weiter um die Schemen im Hof zu kümmern, wandte sie sich ab und legte sich wieder in ihr Bett. Sie versuchte, sich die Stimme ihres Liebsten ins Gedächtnis zu rufen, sich an seine Worte zu erinnern, an seinen Treueschwur. Vergebens. Die Zeit hatte die Spuren verwischt. Donata hielt ihren Kopf in beiden Händen und versuchte krampfhaft, sich zu konzentrieren. Aber da war nichts. Dann nimm mir auch noch die Erinnerung, dachte sie trotzig, nimm mir, was du willst, du strafender Gott, eines nimmst du mir nicht: meine Liebe zu ihm. Und leise weinend schlief sie ein.

6. KAPITEL
    D er Stadtvogt saß missmutig vor einer Schale mit erkalteter Hirsegrütze und blickte aus dem Fenster. Seine Schwester, eine fröhliche Matrone mit schlauen kleinen Augen in einem spitzen Mäusegesicht, betrachtete ihn aufmerksam. Das schien ein seltsamer Tag zu werden. Regungslos saß Pietro vor ihr, wie versteinert. Er hatte sein Frühstück nicht angerührt, hatte kein einziges Wort mit ihr gewechselt. Sicher, er war kein auffallend liebenswürdiger Mann, aber sie beide verstanden sich recht gut, und besonders des Morgens, wenn Martini neugierig auf alles Kommende war, gab es immer etwas zu erzählen. Heute nicht. Francesca wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und ging hinaus in den Gemüsegarten, um zu sehen, was noch an Essbarem darin wuchs. Jetzt, im späten Herbst, war das meiste, was sie gepflanzt hatte, bereits abgeerntet. Sie würde einen kräftigen Eintopf aus Hammelfleisch kochen, heiß und fett und würzig. Das würde Pietro gefallen.
    Martini sah die Wolken ziehen, beobachtete, wie sich die Äste der Bäume am Kirchplatz wiegten. Er wusste nicht mehr ein noch aus. Und er hatte niemanden, dem er sich anvertrauen konnte.
    Gute Jahre waren es gewesen, gute Jahre für sein Grosseto und gute Jahre für ihn, den Vogt. Langsam, aber beständig war das Pflänzchen gewachsen und trug nun erste Früchte. Der Markt war bis in den letzten Winkel der Maremma hinein bekannt, denn hier gab es Stoffe und Gewürze, wie sie sonst nur in den großen Städten wie Siena oder Lucca zu finden waren. Auch die Gaukler, die zweimal im Jahr Grosseto besuchten, trugen zur Beliebtheit des Marktes bei. Das lag nicht nur an den Kunststücken, die auf dem Seil und mit den Tieren gezeigt wurden, das lag vor allem an den Kunststücken der Zigeunerinnen, die sie des Nachts den hohen Herrschaften des Ortes vorführten. Weiber wie jenes, mit dem er sich vergnügte; sie alle waren voller Lust und Hingabe und verstanden sich auf Dinge, von denen er nie zuvor zu träumen gewagt hatte. Martini schnalzte in Erinnerung der letzten wonnevollen Nächte mit der Zunge. Und das sollte nun alles vorbei sein? Gedankenverloren rührte er in der

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