Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Erschrocken über diese heftige Reaktion wich Gianni einen Schritt zurück. Rocco, dieser sonst eher schüchterne Junge, war außer sich.
»Bella wäre das nicht passiert! Bella kann alles! Bella ist die Beste! Bella hier, Bella da!«, schrie er, verdrehte die Augen und warf die Scherben voller Wut unter den Tisch.
Er ist eifersüchtig, erkannte der Küchenmeister und sagte:
»Ganz recht, Bürschchen. Bella wäre das nicht passiert. Auch wenn sie noch ein kleines Mädchen ist. Und weißt du, warum ihr das nicht passiert wäre? Weil sie Gefühl hat. Und Verstand. Und zwar zu gleichen Teilen. Und genug von beidem. Darum.« Er blickte Rocco strafend an.
»Und nun«, jetzt war es Gianni, der schrie, »und nun verlange ich, dass du dir Mühe gibst! Du willst dich doch nicht vor einem Kind verstecken müssen, oder?«
Rocco ließ die Schultern hängen. Er war gern hier, er fühlte sich wohl bei Gianni und Benedetto und bei der alten Gabriella. Und er mochte Bella, dieses gescheite Mädchen, die so oft in Begleitung ihrer Mutter hier war. Und er gab sich wirklich Mühe. Er wollte mehr als ein guter Koch werden. Ein ganz ausgezeichneter Koch. Aber sein Geschmack war nicht fein genug, und seine Nase tat ihm nicht den Dienst, den er von ihr verlangte. Wenn er träumte, dachte er an großartige Speisen, und er stellte sich vor, wie es wäre, sie an einer Tafel zu präsentieren. Er liebte Gianni, wie er einen Vater geliebt hätte, und er wollte ihn nicht enttäuschen. Aber er war nur in seiner Fantasie ein wahrhaft guter Koch. Er brauchte jemanden an der Seite, mit dem er seine Ideen für ausgefallene Rezepturen teilen konnte, er brauchte einen Menschen nahe bei sich, der das umsetzen und zur Perfektion bringen konnte, was nur in seinem Geiste lebendig war. Rocco dachte kurz an Benedetto. Sicher, sein Freund hatte ihn hierhergebracht. Aber Benedetto war ein Luftikus, ein Tausendsassa, ein Spieler und Träumer. Benedetto liebte das Leben und vor allem die Liebe. Es gab kaum ein Weib zwischen Lucca und Siena, dem er nicht das Mal seiner Lust eingebrannt hatte. Doch egal. Hier ging es nicht um Tändelei. Rocco wusste um die Angst seines Ziehvaters, und er wusste auch – sie war berechtigt. Er ging einen Schritt auf den erbosten Koch zu und sagte leise:
»Verzeih mir, Gianni. Du hast Recht. Ich werde mir alle Mühe geben, der beste Koch zu werden, den du dir wünschen kannst. Und ich werde dich nicht enttäuschen, dich nicht und den Conte nicht, das schwöre ich bei meiner Seele. Aber vorher muss ich dich um etwas bitten.«
Neugierig sah der Koch den Jungen an. Rocco hatte ihn noch nie um etwas gebeten. Es musste ihm sehr wichtig sein. Beschwichtigend legte er dem Burschen die Hand auf die Schulter.
»Später, mein Junge. Der Conte erwartet Gäste. Es gibt viel zu tun.«
Rocco nickte, enttäuscht und erleichtert zugleich. Vielleicht war es wirklich nicht der richtige Moment, um so etwas zu besprechen. Er fegte die Scherben unter dem Tisch zusammen und nahm dem Gesellen die ausgenommenen Fische ab. Da ließen ihn Geräusche im Hof innehalten. Auch die anderen lauschten. Es war eine fremde Männerstimme, laut und freundlich. Sie sprach mit Gabriella, doch worüber, das war nicht zu verstehen durch die geschlossene Tür. Dann verstummten die Stimmen, und das leiser werdende Getrappel von Pferdehufen verlor sich bald im Pfeifen des Herbststurms, der über das Land hinwegzog.
Die Tür zum Hof öffnete sich, und Gabriella kam herein, Magdalena an der Hand. Das Kind strahlte und eilte jauchzend an Giannis Brust.
Der Küchenmeister warf der Alten einen fragenden Blick zu, und als Antwort nickte sie zustimmend.
»Meine Bella.«
Gianni war sichtlich gerührt. Er drückte das Mädchen fest an sich und hielt es dann von sich weg, um es besser betrachten zu können.
»Es gibt viel zu lernen, mein Kind. Lass uns gleich anfangen. Und du, Weib«, er winkte Gabriella heran, »gib mir einen Becher Wein.«
Die Küchendiener wechselten Blicke. Ihr Meister war auf einmal in Hochstimmung, das war nicht zu übersehen. Dass die Ursache dafür in der kleinen Magdalena liegen sollte, fanden sie allerdings etwas merkwürdig.
»Was gibt es da zu gaffen? An die Arbeit.«
Der Koch klatschte ungeduldig in die Hände. Dann traf sein Blick auf Rocco, der immer noch regungslos dastand und die Kleine ansah. Gianni seufzte. Hoffentlich würde der Junge keine Schwierigkeiten machen. Eifersucht war etwas Schreckliches, und wenn er etwas in seiner Küche
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