Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
was du zu lernen hast. Du musst deinen Blick für die Dinge schärfen, die um dich herum geschehen. Du hast nicht nur Freunde hier, es gibt auch Menschen in deiner Nähe, die dir Übles wollen. Und so wird es immer sein, ganz gleich, wo du lebst. Du bist anders, Magdalena, und das spüren die Menschen, und davor haben viele Angst.«
Verständnislos sah Bella den Fürsten an. Sie konnte sich nicht vorstellen, worauf er hinauswollte. Das Mädchen legte den Kopf etwas schief und wartete gespannt auf eine Erklärung. Di Nanini lächelte. Er liebte es, wenn Bella ihn so ansah.
»Um es kurz zu machen. Bruder Angelo kommt jeden Tag für zwei Stunden hierher und unterrichtet dich im Lesen und Schreiben. Das wird dich stark machen und schützen.«
Bella stand auf. Sie war fassungslos. Ihr war die Bedeutung dieses Geschenks vollkommen bewusst. In ihr begann etwas zu glühen. Eifer und Neugierde erfüllten sie.
»Wann, Herr?«
Bella war erstaunt, wie klein und dünn ihre Stimme klang. Der Principe sagte nichts, sondern läutete nach Umberto. Wenig später öffnete sich die Tür zur Sala. Der Leibdiener versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen, als er den Mönch eintreten ließ, aber sein Herr kannte ihn gut genug, um zu wissen, was er wirklich fühlte. Bislang war er der Einzige in der Dienerschaft gewesen, der über diese Bildung verfügte. Erneut würde er einen Teil seiner Macht an Bella verlieren. Nachdem sich die Tür wieder geschlossen hatte, machte der Fürst einen Schritt auf Bruder Angelo zu.
»Du weißt, dass ich deinem Kloster viele Scudos versprochen habe, damit das Mädchen hier lesen und schreiben lernt. Also gib dir Mühe. Sie ist klug, und sie wird eine gute Schülerin sein. Und nun an die Arbeit.«
Bella sagte nichts. Sie nickte dem Fürsten zu und folgte Bruder Angelo, der mit kleinen Schritten und wiegenden Hüften vor ihr hertrippelte. Wie ein Weib, dachte sie kurz und konnte ihr Glück immer noch nicht fassen.
Di Nanini lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte sich. Er war sich sicher, das Richtige getan zu haben. Bildung war die beste Waffe und schärfer als jedes Schwert.
»Der Mönch bringt ihr Lesen und Schreiben bei?«
Er hatte Fabrizio nicht hereinkommen hören. Der Fürst setzte sich auf und wartete darauf, was sein Sohn sonst noch zu sagen hatte. Seit der Hochzeit mit Cassandra war ihr Verhältnis getrübt. Seine Schwiegertochter lebte die meiste Zeit in Rom bei ihren Eltern, nur alle paar Monate kam sie nach Siena, um doch so etwas wie Zuneigung bei ihrem Gemahl zu wecken. Sie hatte anscheinend die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Mutter seiner Kinder zu werden. Doch Fabrizio blieb stur. Bislang hatte er ihr nicht beigewohnt, und die Scham darüber, als jungfräuliche Gemahlin zu leben, stand der jungen Frau ins Gesicht geschrieben.
»Ja«, erwiderte der Principe knapp, »sie ist klug, aber ungebildet. Das, was sie lernt, wird ihr helfen, gerade in den schlechten Zeiten, die auf uns warten, mein Sohn.«
Fabrizio zuckte mit den Schultern.
»Sie ist klug, ja, aber das sind andere aus dem Volk auch. Du gibst ihr den Vorzug vor allen anderen, selbst vor mir. Du fragst sie nach ihrer Meinung – sie ist ein Weib! Und du behandelst sie wie eine Principessa. Sie ist keine der unseren, mein Fürst.«
»Wer bist du, dass du mich maßregelst?«, erwiderte di Nanini. Er hatte diesen Moment kommen sehen, und sein Sohn hatte Recht. Das Mädchen war ihm näher als jeder andere Mensch.
»Verzeihung, Sua Altezza.«
Fabrizio wusste, er war zu weit gegangen. Aber merkte sein Vater denn nicht, dass er ihn brauchte? Er fühlte sich so unglücklich in dieser Ehe, die keine war, er vermisste die Ausritte mit ihm, die Gespräche. Di Nanini betrachtete seinen Sohn aufmerksam. Der Kummer der letzten Jahre hatte ihm die jungenhafte Fröhlichkeit genommen.
»Lass die Pferde satteln«, sagte er leise und sah, wie sich Fabrizios Gesicht aufhellte, »wir waren schon so lange nicht mehr gemeinsam unterwegs.«
Bella stand an der Pforte zum Kräutergarten. Sie sagte leise das Alphabet auf. Jeder einzelne Buchstabe nahm Gestalt an und begann mit den anderen zu tanzen, so lange, bis sich ein Wort gebildet hatte. Bruder Angelo war zufrieden mit ihr, das wußte sie. Bald, das hatte er ihr versprochen, werde sie das erste Mal mit Feder und Tinte schreiben dürfen. Und dann werde er sie mitnehmen, in sein Kloster, und sie dürfe einen Blick in die Schriften werfen, die dort verwahrt wurden. Bella wusste,
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