Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
dass sie den Zugang zu solchen Kostbarkeiten allein der Geldschatulle des Fürsten zu verdanken hatte. Wenn sie daran dachte, was unter den Schätzen des Klosters alles zu entdecken war, spürte sie schon jetzt ihr Herz vor Aufregung schneller schlagen.
»Kann ich ein Stück altes Brot haben, bitte?«
Erschrocken drehte Bella sich um. Diese Worte hatte sie schon einmal gehört, damals … wir haben kein altes Brot, hatte sie geantwortet.
»Momo?«
Zwischen den Obststräuchern bewegte sich etwas; zuerst sah Bella nur die Mütze, dann kroch Momo aus dem Astwerk hervor. Er war hoch aufgeschossen, dünn und sehnig, aber seine Augen waren immer noch so lavendelblau, wie seine Beine dreckig waren. Etwas schüchtern kam er näher. Sie lächelten einander an, betrachteten sich gegenseitig.
»Du bist schmutzig wie ein Ziegenbock«, versuchte Bella ihre aufsteigende Verlegenheit zu überspielen. »Wo sind die anderen? Wie geht es euch?«
Momo zuckte mit den Schultern.
»Sie sind auf den Märkten. Wie jedes Jahr.«
»Und du? Was machst du allein in Siena?« Bella wusste, dass Hector nichts davon hielt, wenn jemand aus seiner Familie allein umherzog. Es war einfach zu gefährlich.
»Ich bin nicht allein«, antwortete Momo und grinste. Dann drehte er sich um und lief davon.
»Magdalena!«
Das war Rosa, Massimos Weib. Sie hatte wie jedes Jahr einen Säugling im Arm und deutete auf den Wagen, der vor der Küchentür haltmachte. Bella hielt den Atem an. Habibis Wagen. Was wollte die Zigeunerin von ihr? Stirnrunzelnd trat sie vor die Tür. Im nächsten Moment sprang Momo auf sie zu. Er deutete auf den Mann, der noch auf dem Kutschbock saß, und zwinkerte ihr zu. Bella war überrascht. Sie wusste, dass es Menschen mit schwarzer Haut gab, aber sie hatte noch nie einen gesehen. Der Fremde lächelte ihr zu und stieg ebenfalls ab. Mit einer tiefen Verbeugung zog er seinen Hut vom Kopf.
»Ich bin Nwuma aus dem fernen Nubien, und das ist Momo, mein Schüler. Ich bin ein Dottore, wie man hier sagt, und habe viele Salben und Kräuter dabei, Tinkturen auch.«
Wieder lächelte er sie an. Der Blick seiner dunklen Augen traf Bella bis ins Mark. Sie spürte, dass sie über und über errötete. Zum ersten Mal fehlten ihr die Worte. Sie war vollkommen fasziniert von dem Fremden.
»Tinkturen?«, fragte sie schließlich, nur um irgendetwas zu sagen. Sie fühlte sich schrecklich. »Salben?«
Momo nickte eifrig und schlug die Decke zurück, die den Wagen geschlossen hielt. Er holte umständlich einen großen Korb hervor, in dem sich viele kleine Gefäße befanden. Das Mädchen erkannte sofort, woher diese stammten. Oft hatte sie den Frauen der Gaukler beim Abfüllen ihrer Tränke geholfen. Momo sah sie verschwörerisch an. Bella spürte immer noch den Blick des Nubiers auf sich ruhen, aber sie traute sich nicht, ihn anzusehen.
»Habt ihr Hunger?«, wandte sie sich an den Zigeuner. »Ich kann euch Brot und Speck bringen lassen und ein wenig kaltes Fleisch.«
»Danke.«
Nwuma verbeugte sich noch einmal. Der Klang seiner Stimme ließ irgendetwas in Bella erschauern, sie wusste nicht, was es war.
»Wartet hier«, sagte sie, ohne die beiden anzusehen, und ging zurück in die Küche. Im nächsten Moment war Rosa an ihrer Seite.
»Er ist schwarz wie Kohle«, flüsterte sie und setzte sich auf einen Schemel. Während sie ihr Hemd aufknöpfte und das Kind trinken ließ, plapperte sie weiter.
»Der Nubier ist ein Heiler, hat meine Schwester gesagt. Eine Frau aus Grosseto …«
Bella schaute sie gleichgültig an, während sie Speck und Brot in einen Korb packte.
»Mag sein, Rosa, mag sein. Ich brauche seine Hilfe nicht.«
»Wirklich?«
Rosas Stimme klang ganz fremd. Was hat sie nur?, dachte das Mädchen, war ich nicht immer gut zu ihr?
»Was willst du mir sagen, Rosa«, ging Bella auf die Bemerkung der Magd ein, »so sag schon: Was ist los?«
Die andere Frau stand auf, knöpfte sich betont langsam ihr Hemd zu und sah Bella unverwandt an.
»Mein Mann träumt viel. Und laut. Und erzählt dann von einem Mädchen, auf das ein Preis ausgesetzt wurde. Und er spricht von den Zigeunern.«
Bella nickte.
»Träume, Rosa. Wünsche vielleicht … Massimo ist ein guter Mann und ein guter Koch, und ich schätze ihn über alle Maßen, das weiß er, und du weißt es auch. Oder?«
Sie sah Rosa offen an. Noch nie zuvor hatte sie sich der Konfrontation mit ihr gestellt, aber nun war der Moment gekommen. Rosa lachte heiser auf, sie drückte ihr Kind an
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