Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Besuch auch nicht«, sagte das Mädchen, »damals … in Lucca … wurde vom Hofe hier und vom Fürsten so gut wie nie gesprochen, und wenn, nur mit Verachtung. Ich weiß es noch, weil Gianni mir einmal von einem fürchterlichen Wutausbruch des Conte erzählt hat. Er hat so getobt, dass er danach einen ganzen Tag im Bett bleiben musste, um sich zu erholen. Es war kurz vor … der Niederkunft seiner zweiten Gemahlin. Gianni sagte, er habe sich die Schnallen und Spangen von seinem Gewand gerissen und vor lauter Zorn alles in seinem Gemach kurz und klein geschlagen.«
Der Koch nickte. »Sein aufbrausendes Wesen ist allgemein bekannt, selbst hier am Hofe weiß man davon. Bleibt nur zu hoffen, dass sein Sohn anderer Natur ist. Und nun lass uns schlafen gehen. Ich habe so das Gefühl, dass die nächsten Tage anstrengend werden.«
»Ich muss schon sagen, ich bin sehr überrascht, Paolo.«
Der Fürst hatte Fabrizio zu sich gerufen und mit seinem Sohn gemeinsam den Gast aus Lucca empfangen. Nun saßen die drei Männer in der Sala. Di Nanini blickte den jungen Mann fragend an.
Paolo überlegte kurz, dann entschied er sich dafür, die Wahrheit zu erzählen. Wenn er auf eine Allianz mit Siena hoffte, durfte er das Vertrauen des Fürsten nicht mit halbgaren Geschichten verspielen. So berichtete er von dem Disput mit seinem Vater, von seiner heimlichen Abreise. Er umriss in wenigen Sätzen seine politische Einstellung und zeigte mehrere unterschiedliche Szenarien auf, wie es um die Zukunft der toskanischen Stadtstaaten bestellt sein könnte.
Der Fürst und sein Sohn hörten aufmerksam zu, und ihnen war schnell klar, dass der junge Adelige in ehrenvoller Absicht kam. Di Nanini verstand nicht, dass sich Ascanio den Überlegungen seines Ältesten gegenüber so verschloss, und das sagte er ihm auch. Er betrachtete den Sohn seines Cousins eindringlich. Die Statur, die Stimme … einst waren sie Freunde gewesen, Ascanio und er, bis zu dem Tag, als der Conte die junge Waise zu sich nahm … er, Andrea, hatte sich sofort in sie verliebt. Er hatte gegen das Gefühl angekämpft, bei Gott! Doch sie hatte ihn angesehen, wissend, und so liebten sie sich, lange bevor sie ein Paar wurden … das heilige Sakrament der Ehe beschmutzten … wie teuer war der Preis dafür. Sein Kind, seine Liebste … Doch das war alles Vergangenheit. Er konnte Paolo nicht hassen. Er konnte ihn nicht dafür verachten, dass er ein di Cavalli war. Laut sagte er:
»Erzähl mir mehr, Paolo.«
Dieser bekam einen noch ernsteren Gesichtsausdruck, als die Rede auf seinen Vater kam.
»Lucca geht es nicht gut. Der Bau der Stadtmauer verschlingt riesige Summen, und die Bedeutung als Seidenstadt geht immer mehr zurück, seitdem viele Schiffe direkt den Hafen von Talamone anlaufen.«
Fabrizio nickte. »Das stimmt. Unser Hafen macht einen weiten, gefährlichen Transport über Land überflüssig.«
»Dennoch«, warf Andrea di Nanini ein, »wir alle sind Nobili, wir alle haben Verantwortung für die Menschen in unseren Dörfern und Städten.«
»Eben darum bin ich hier«, sagte Paolo.
»Darüber freuen mein Sohn und ich uns sehr«, erwiderte der Fürst und stand auf. »Und nun Gute Nacht. Morgen früh unterhalten wir uns weiter.«
Fabrizio stand vor Cassandras Tür und zog die kleine Glasamphore aus seinem Ärmel, die ihm der Nubier gegeben hatte. In den ersten Tagen hatte er ständig mit den bitteren Tropfen daraus seine Handfläche benetzt, immer in der Angst, seine Zuneigung zu Cassandra könnte wieder nachlassen. Dann hatte er sich getraut, nur noch abends vor dem Zubettgehen ein paar Tropfen zu nehmen, und gestern hatte er keine Medizin genommen. Trotzdem hatten sie sich leidenschaftlich geliebt. Er würde es heute Nacht noch einmal ohne die Tropfen probieren. Vorsichtig verbarg er das Fläschchen wieder im Ärmel, dann öffnete er leise die Tür.
Cassandra erwartete ihn. Sie lag nackt auf dem großen, mit einem prächtigen Baldachin überdachten Bett und streckte die Arme nach ihm aus. Für einen Augenblick dachte Fabrizio an die schöne Marketenderin. Er grinste. Ja, er hatte sie für eine Zauberin gehalten und war sich sicher gewesen, nie wieder etwas so Köstliches zu erleben. Wie sehr er sich getäuscht hatte. Es verblasste im Vergleich zu dem, was Cassandra mit ihm machte. Inzwischen war es ihm egal, dass sie klein und rundlich war, älter als er und nicht sonderlich hübsch. Sie verstand es ganz einfach, ihn zur Raserei zu bringen. Mal berührte sie ihn,
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