Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
des Principe in den Palazzo. Umberto hatte es auf einmal sehr eilig und schlug den Weg zu den Wirtschaftsräumen ein. Massimo, der mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag beschäftigt war, sah erstaunt auf. Es war ungewöhnlich, dass Umberto Fremde in die Küche brachte. Noch dazu um diese Zeit. Der Leibdiener kommentierte den Blick des Kochs mit Augenrollen und sagte nur knapp:
»Unser Gast ist müde und hungrig. Kümmere dich um ihn.«
Dann war er schon wieder zur Tür hinaus.
Massimo legte sein Messer zur Seite und wischte sich die Hände ab.
»Womit kann ich Euch erfreuen, Herr?«, fragte er mit ausgesuchter Höflichkeit. Wenn Umberto so aufgeregt war, musste dieser Gast ein wichtiger Mann sein.
»Massimo, hast du den Korb mit den Erdbeeren gesehen?«
Wie ein Wirbelwind stürmte Bella in die Küche. Ihre Augen suchten die Tische und Regale ab; den Fremden, der noch an der Tür stand, bemerkte sie offenbar nicht.
»Magdalena, wir haben einen späten Gast«, sagte Massimo ruhig und deutete auf Paolo. Der setzte sich an den Tisch und betrachtete das Mädchen mit wachsendem Interesse. Der Koch tat, als bemerkte er es nicht. Es war alles andere als ungewöhnlich, dass Männer Bella anstarrten.
»Ah, da sind sie ja.«
Bella hatte den Korb unter einem Tisch entdeckt und zog ihn hervor.
»Magdalena.«
Die Stimme des Kochs klang ungewohnt streng. Bella sah ihn direkt an. Was sollte das? Erst jetzt fiel ihr Blick auf den jungen Mann. Als er ihr sein Gesicht zuwendete, erkannte sie ihn sofort. Er sagte:
»Du bist Bella, die Ziehtochter von Gianni Fiore, Koch des Conte von Lucca, oder täusche ich mich? Mein Bruder hat mit dir in der Küche gespielt.«
Bella wurde schwindelig. Auf einmal war sie wieder lebendig, die Zeit am Hofe di Cavallis. Gabriella, Rocco, Gianni … sie waren im Laufe der Jahre zu Schemen geworden, zu lieb gewonnenen Erinnerungen. Sie schluckte. Lügen wollte und konnte sie nicht.
»Ja«, antwortete sie leise, »das bin ich.«
Paolo lächelte sie an.
»Uns fehlen deine Speisen, Bella, wirklich.«
Bella lächelte zurück. Paolo war seinem Vater im Äußeren recht ähnlich, dunkel und hochgewachsen, aber seine Augen, ebenso schwarz wie die Ascanios, blickten sanft und freundlich.
Bella sah den Koch an. Der verstand und richtete das Wort an den Adeligen.
»Was ist Euer Wunsch, Herr? Welche Speisen dürfen wir Euch bringen?«
Paolo winkte ab.
»Es ist schon sehr spät. Wenn du ein wenig kaltes Fleisch und einen kräftigen Roten für mich hast, freue ich mich, Koch.«
Massimos Miene entspannte sich. Er hatte schon befürchtet, die halbe Nacht in der Küche stehen zu müssen. Die Bescheidenheit dieses Mannes gefiel ihm. Erleichtert griff er nach dem steinernen Weinkrug und stieg in den Keller hinab, während Bella sich um die Speisen kümmerte.
»Wie geht es meinen Freunden, Herr?«, fragte sie leise.
Paolo schüttelte den Kopf.
»Es gibt viel zu berichten, Bella, und das werde ich auch tun. Aber zunächst gilt meine ganze Aufmerksamkeit dem Fürsten.«
Bella errötete und senkte den Blick. Sie schämte sich für die alte Vertrautheit aus Kindertagen. Es stand ihr nicht zu, das Wort an ihn zu richten. Er war Nobile und sie die Tochter eines Buttero … zumindest in seinen Augen. Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass seine Stiefmutter mich geboren hat?, überlegte sie. Dann verscheuchte sie den Gedanken mit einem Kopfschütteln.
»Verzeiht mir«, beeilte sie sich zu sagen, »ich wollte mich nicht über meinen Stand erheben.«
Sie brachte ihm das gewünschte Bratenfleisch und verließ nach einem Knicks die Küche. Sie musste ein paar Momente allein sein. Bella trat in den Garten hinaus und lehnte sich an die Mauer. Ihr Blick wanderte über den sternenklaren Himmel. Bilder liefen vor ihrem inneren Auge ab, Bilder aus Giannis Küche in Lucca. Sie schämte sich dafür, so lange nicht mehr an ihre Freunde gedacht zu haben. Ein knackendes Geräusch schreckte sie auf. Es war der Koch.
»Wo ist der Gast?«, wollte Bella wissen.
Massimo lehnte sich ebenfalls an die Mauer und reckte das Gesicht nach oben.
»Der Sohn des Conte von Lucca ist beim Principe«, sagte er nachdenklich, »um diese Zeit. Sehr merkwürdig.«
»Woher weißt du, dass es di Cavallis Sohn ist?«, fragte Bella. Massimo atmete tief ein und streckte sich.
»Umberto hat es mir gesagt. Er hat ihn zum Fürsten gebracht und war gerade in der Küche, um sich ein paar Früchte zu nehmen.«
»Ich verstehe diesen
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