Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
sagte er leise, »ich kann es kaum erwarten.«
Momo und Nwuma waren gut vorangekommen, selbst in der dichten Macchia. Hector hatte sie wissen lassen, dass er sie in Principina a Mare erwartete. Von dort aus würden die Gaukler durch die Dörfer in Richtung Siena ziehen, wie jedes Jahr. Der Nubier war schweigsam, seitdem sie den Hof di Naninis verlassen hatten. Momo war klug genug, ihn nicht nach dem Grund dafür zu fragen. Zudem hing er seinen eigenen Gedanken nach. Er war ein Zigeuner und würde es immer sein. Bella dagegen hatte sich total verändert. Sie war ein kleines Mädchen gewesen, das in einer Küche aufgewachsen war, und nun konnte sie lesen und schreiben und benahm sich wie eine Dame.
»Du denkst auch an Bella, mein Freund?«, fragte Nwuma und legte dem Burschen neben sich die Hand auf die Schulter. Momo nickte. Er konnte dem Schwarzen nichts vormachen. Der Nubier konnte in alle Herzen sehen, wenn er wollte.
»Sie ist so anders, Nwuma.«
»Sie ist bald eine Frau, Momo.«
Der Zigeuner schüttelte den Kopf. Nein, das meinte er nicht. Natürlich waren sie beide keine Kinder mehr, aber …
»Was meinst du dann?«, wollte Nwuma wissen. »Vertrau deinem Gefühl, deiner Eingebung. Sag, was du denkst, auch wenn es merkwürdig klingt.«
Momo überlegte.
»Ich habe immer gedacht, die Küche ist ihr Zuhause, aber das stimmt nicht. Wie sie sich im Palazzo bewegt, wie sie spricht, ihre Vertrautheit mit dem Fürsten – ihr Platz ist bei Hofe, oder täusche ich mich?«
Der Schwarze lächelte.
»Du spürst dasselbe wie ich, mein Freund. Und du hast Recht. Genau so ist es.«
Nachdem sie die Ruine der Festung von San Rabano hinter sich gelassen hatten, schlugen sie den Weg zur tyrrhenischen Küste ein. Momo gruselte sich beim Anblick dieser verfallenen Bauwerke, von denen es viele in der Maremma gab. Zumeist waren es verlassene Festungsanlagen oder Wehrtürme, schon viele hundert Jahre alt. Die Mächtigen von Florenz und Siena hatten sie einst errichten lassen, um einen Angriff der Sarazenen vom Meer aus frühzeitig entdecken zu können. Inzwischen waren die Zeiten andere. Der Handel bestimmte das Denken in den toskanischen Städten, und niemand störte sich daran, ob der Kaufmann aus Burgund, Flandern oder Arabien stammte.
»Da sind sie!«
Nwuma hatte die Wagenburg als Erster entdeckt und trieb das Maultier an, schneller zu gehen. Momo rutschte unruhig auf dem Kutschbock hin und her. Er war noch nie so lange von seinen Eltern und der ganzen Familie getrennt gewesen, und nun spürte er, wie er sich auf das Wiedersehen freute. Auch im Lager hatte man offenbar die Reisenden ausgemacht, denn die Kinder kamen ihnen entgegengelaufen und schwenkten ihre Mützen. Dann folgten ein paar Erwachsene. Momo erkannte Hector und Benedetto, dann Alondra. Als er seine Mutter winken sah, hielt ihn nichts mehr. Er sprang vom Wagen herunter und lief lachend zu den Seinen.
Spät am Abend, als das Feuer schon weit heruntergebrannt war und die Frauen und Kinder in den Wagen schliefen, rief der Anführer der Zigeuner seine Vertrauten zu sich. Seine Miene war ernst, als er Benedetto und dem Nubier Wein in ihre Becher schenkte. Nwuma hatte sich seiner bunten Kleidung und des Silberschmucks entledigt und trug wieder seine alten Gewänder. Sie alle tranken, und sie tranken viel. Dann erzählten sie. Zuerst Benedetto von seinem Besuch bei Martini. Die beiden anderen nickten. Genau diese Reaktion hatten sie vom Vogt erwartet. Als Nächster begann Nwuma mit seinem Bericht. Die Tatsache, dass der Sohn des Principe und seine Gemahlin nun einander zugetan waren, ließ hoffen, dass im Falle eines Falles mit Hilfe aus Rom zu rechnen war.
»Und sonst?«, fragte Hector und drehte seinen Becher hin und her. Ihm war nicht entgangen, wie in sich gekehrt der Schwarze war. Nwuma verstand und nahm einen Schluck Wein.
»Man muss kein Zauberer sein, um zu sehen, dass das Mädchen eine Nobile ist«, sagte er dumpf. »Und sie hat Feinde. An beiden Höfen.«
Hector sah seinen Freund besorgt an.
»Willst du damit sagen, sie ist in Gefahr?«
»Wir wissen, was mit di Nanini passiert ist, wer den Überfall geplant und wer ihn ausgeführt hat. Was mit Petrucci geschehen ist, wissen wir auch, und wir kennen seinen Mörder. Ich fürchte, wir müssen davon ausgehen, dass sie in Lebensgefahr ist, auch wenn wir im Moment keine Beweise haben.«
Der Nubier seufzte. Benedetto steckte sich ein Stück Fleisch an einen Stock und legte ihn in die Glut.
»Ich hätte
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