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Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Titel: Das Geheimnis der Eulerschen Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yoko Ogawa
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und stopfte es in das Holzkästchen, das ich auf der Entbindungsstation erhalten hatte, um die Nabelschnur aufzubewahren.
    Sobald ich für mein Baby einen Platz in einer Krippe gefunden hatte, begab ich mich schnurstracks zur Akebono-Agentur zu einem Vorstellungsgespräch. Ich konnte mir keine andere Arbeit vorstellen, wo meine Fähigkeiten hätten zur Geltung kommen können. Kurz bevor Root in die Schule kam, versöhnte ich mich mit meiner Mutter. Völlig überraschend war eines Tages ein Schulranzen mit der Post eingetroffen. Das geschah etwa zur gleichen Zeit, als ich das Heim für ledige Mütter verließ, um nun endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Meine Mutter war immer noch als Chefin in dem Hochzeitssaal tätig. Doch kurz nachdem wir uns ausgesöhnt hatten und ich die tröstliche Erfahrung zu schätzen begann, jemanden zu haben, der mir mit meinem Kind helfen konnte, starb sie an einer Gehirnblutung.
    Wahrscheinlich war ich deshalb so glücklich, als ich sah, wie der Professor meinen Sohn in den Arme nahm.
    Mit Root entwickelte unser neues Leben zu dritt schon bald eine angenehme Routine. An meiner täglichen Arbeit änderte sich nichts, außer dass ich nun für drei Personen kochte. Freitags hatte ich immer die meiste Arbeit, da ich die Mahlzeiten für das ganze Wochenende vorbereiten und teilweise einfrieren musste. Gab es beispielsweise Hackbraten mit Kartoffelpüree oder gedünsteten Fisch mit blanchiertem Gemüse, musste ich dem Professor erklären, welche Beilage zu welcher Speise gehörte und wie er es auftauen sollte, obwohl er eigentlich mit der Mikrowelle überhaupt nicht zurechtkam.
    Wenn ich aber am Montagmorgen eintraf, war alles, was ich zubereitet hatte, verschwunden. Hackbraten und Fisch waren offenbar in der Mikrowelle aufgetaut und von jemandem verspeist worden. Auch das benutzte Geschirr stand wieder sauber im Küchenschrank.
    Offensichtlich kümmerte sich die Witwe um den Haushalt, wenn ich nicht da war. In meiner Anwesenheit tauchte sie jedoch nie auf. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, weshalb sie den Verkehr zwischen Hauptgebäude und Gartenpavillon strikt untersagt hatte. Der Umgang mit der Witwe war eine neue Herausforderung für mich.
    Die Probleme des Professors waren hingegen immer nur mathematischer Natur. Es freute ihn nie sonderlich, wenn er eine schwierige Gleichung gelöst hatte. Immer wenn ich meiner Bewunderung Ausdruck gab, winkte er ab. »Das ist doch alles harmlos«, sagte er dann und klang dabei eher deprimiert als bescheiden.
    »Derjenige, der die Aufgabe stellt, kennt bereits das Ergebnis. Eine Aufgabe zu lösen, für die bereits eine Lösung existiert, ist, wie auf einen Berg zu steigen, auf den ein Pfad hochführt. In der Mathematik findet sich die Wahrheit in unbekannten Gefilden. Und das ist nicht immer auf dem Gipfel eines Berges, sondern unter Umständen auch am Fuße einer steilen Klippe oder in einer tiefen Schlucht.«
    Wenn Root am frühen Abend zur Tür hereinkam, trat der Professor sofort aus seinem Zimmer, ganz gleich wie vertieft er zuvor in seine Arbeit gewesen war. Obwohl er es sonst nicht ausstehen konnte, wenn man ihn störte, legte er für meinen Sohn nur allzu gerne eine Pause ein. Meistens warf Root jedoch bloß seinen Ranzen in eine Ecke und verschwand sofort wieder in den Park, um mit seinen Freunden Baseball zu spielen, woraufhin der Professor enttäuscht in sein Arbeitszimmer zurückschlurfte.
    Es freute ihn, wenn es regnete und Root im Haus bleiben musste, denn so hatte er die Gelegenheit, ihm bei den Hausaufgaben zu helfen.
    »Ich glaube, ich fühle mich ein bisschen klüger, wenn ich am Schreibtisch des Professors lerne«, erklärte Root. In unserer Wohnung gab es keine Bücherregale, und er war offensichtlich fasziniert von den Unmengen von Bänden, die er hier vorfand. Der Professor schob seine Notizhefte beiseite und wischte die Radiergummikrümel weg, um Platz zu schaffen, damit Root auf dem Schreibtisch sein Rechenbuch aufschlagen konnte.
    Ich fragte mich, ob eigentlich jeder in höherer Mathematik ausgebildete Mensch einem Schuljungen das Rechnen auf so intelligente Weise beibringen konnte. Oder besaß der Professor dafür eine besondere Begabung? Er konnte Root Brüche, Verhältnisse und Volumen auf eine Art und Weise erklären, dass man sich wünschte, alle Erwachsenen könnten Kindern so bei den Hausaufgaben behilflich sein.
    Egal, was für eine Aufgabe es war, der Professor forderte Root stets auf, sie laut vorzulesen:
    »353 mal

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