Das Geheimnis der Götter
stellen wollen, und wird seinen Großangriff nicht beginnen. Nein, wir sind mehr als glücklich, endlich eine heiße Spur gefunden zu haben, und werden versuchen, diese Verbrecher festzunehmen. Wohlgemerkt: Wir werden es versuchen.«
Der Libanese verspeiste eine große Portion Gänsepastete und hörte sich den Bericht seines Türhüters an.
Auf den Brief hin hatten drei Trupps der Sicherheitskräfte das Haus der Aufständischen umstellt, die nicht gewarnt worden waren. Der Libanese verlangte alle Einzelheiten zu erfahren. Wegen schlechter Zusammenarbeit aufgrund von
Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Truppführern geriet der Überfall der Ordnungskräfte zu einem völligen Fehlschlag. Die Späher des Propheten hatten verdächtige Bewegungen beobachtet und sofort ihre Kameraden gewarnt. Deren Flucht war zwar sehr schwierig –
so mussten sie sogar einen aus ihren Reihen erwürgen, weil er krank und deshalb bewegungsunfähig war –, aber schließlich gelang sie doch.
Was hatte das zu bedeuten?
Zunächst einmal, dass die Sicherheitskräfte keine heiße Spur hatten. Verzweifelt stürzten sie sich auf den erstbesten Hinweis. Außerdem hatte Sobek nicht mehr den Oberbefehl über seine Leute, die Trupps waren offensichtlich schlecht vorbereitet, sich selbst überlassen und ohne Führung. Daraufhin schloss sich der Libanese Medes’ Meinung an. Der Augenblick schien gekommen, Memphis mit einem zerstörerischen Großangriff aller aufständischen Gruppen einzunehmen – weder Hauptkaserne noch Königspalast würden dem standhalten können. Man musste schnell und hart zuschlagen und solche Angst und Gräuel verbreiten, dass auch noch die letzten Verteidigungslinien der Hauptstadt aufgaben, ohne überhaupt gekämpft zu haben.
Das bedeutete viel Arbeit, aber auch die Aussicht auf einen großartigen Erfolg! Hier in Memphis entschied sich die Zukunft ganz Ägyptens. Und nach seinem Sieg wollte der Libanese der unumschränkte Herr dieser Stadt werden. Der neue Glaube des Propheten kümmerte ihn nicht sonderlich, bot ihm aber ausreichend Gelegenheit, Ungläubige hinrichten zu lassen, um seine gemeinen Gelüste zu befriedigen.
Zwei Sesostris-Statuen beschützten den Haupttempel der elften Provinz Unterägyptens. Der dortige Oberpriester bereitete Isis einen begeisterten Empfang und vertraute ihr die kostbare Reliquie an, die Finger des Osiris, wobei die Daumen den Pfeilern von Nut, der Himmelsgöttin, entsprachen. Sekari war erstaunt über so viel Entgegenkommen und befürchtete, dass dafür die Fahrt zum nächsten Ziel, nach Djedu, der Hauptstadt der neunten Provinz, besonders gefährlich werden würde. Stattdessen erwies sich dieser Ort als besonders angenehm, da es sich um die »Bleibe von Osiris, den Herrn des Pfeilers« handelte. In Busiris wurde dieser Gott besonders verehrt, und man feierte jedes Jahr ein Fest zu seinen Ehren. Die Stadt Djedu, in der eine andächtige Stimmung herrschte, gehörte zu Abydos. Auch dort waren die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten des Monats Khoiak bereits in vollem Gange.
Auf dem Platz vor dem Tempel trafen sie auf eine seltsame Gestalt. Die zwei Federn von Maat zierten ihre
Kopfbedeckung, sie hatte einen Hirtenschurz und Bauernsandalen an, hielt einen langen Stock in der Hand und verkörperte den unermüdlichen Wanderer auf der Suche nach den Geheimnissen des Osiris.
»Ich verwalte hier das göttliche Wort«, sagte der Mann. »Wer es kennt, gelangt zusammen mit Re in den Himmel. Könnt Ihr es vom Bug bis zum Heck der heiligen Barke weitergeben?«
»Die Barke dieses Tempels heißt die ›Erleuchterin der Zwei Länder‹«, antwortete Isis. »Sie trägt dieses große Wort bis zum Hügel des Osiris.«
Der Wanderer deutete mit seinem Stock auf Sekari.
»Dieser Weltliche soll sich entfernen.«
»Der Goldene Kreis reinigt und vereint«, gab ihm Sekari zur Antwort.
Verblüfft verneigte sich der Wanderer vor ihm. Er hätte nie gedacht, dass ein Mensch, der in die großen Mysterien eingeweiht war und den Spruch des Wege-Öffners kannte, so aussehen konnte.
»Über uns ist ein großes Unglück hereingebrochen«, erzählte er jetzt. »Die goldene Pflanze nebehb von Osiris ist verschwunden, der Vogel des Lichts kreist nicht mehr über dem Hügel mit den Akazien. Jetzt hat Seth freie Bahn, Osiris kann sich nicht mehr wehren.«
Ziegen waren in den Tempelgarten eingefallen und begannen, die Blätter der Akazien abzufressen.
»Sie haben keine Angst vor meinem Stock«,
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