Das Geheimnis der Götter
Schwächeren schadlos gehalten hatte, ging Gergu ins Dorf Blühender Hügel. Dort wollte er seine Stellung missbrauchen und den Oberaufseher über die Speicher wieder einmal dazu zwingen, ihm Schmiergelder zu zahlen, mit denen er angeblich hohe Strafen wegen frei erfundener Fehler und den Verlust seines Arbeitsplatzes verhindern konnte. Der Unglückliche war bereits so verängstigt, dass er einen vom Oberaufseher unterzeichneten Bericht befürchtete, dessen Wort niemand in Frage stellte.
Als dann Gergu erschien, packte ihn die kalte Wut.
»Bei mir ist alles in Ordnung!«
»Das glaubst du doch nicht? Die Liste deiner Schlampereien kommt mir schier endlos vor. Sei froh, dass ich dich so gern mag.«
»Es ist noch nicht einmal einen Monat her, dass ich Euch bezahlt habe!«
»Hier handelt es sich um eine Sondersteuer.«
Die Frau des Aufsehers kam ihm zu Hilfe.
»Versteht doch bitte, wir können unmöglich…«
Gergu verpasste ihr eine Ohrfeige.
»Halt den Mund, Weib, und geh zurück in deine Küche.«
Der erpresste Beamte war zwar eher ängstlich, würde es jedoch nie dulden, dass sich jemand an seiner Frau vergriff. Diesmal war Gergu zu weit gegangen. Da er ihm aber nicht die Stirn bieten konnte, musste er sich zunächst fügen.
»Einverstanden, ich zahle, was Ihr verlangt.«
Medes’ Frau brach in Tränen aus.
Gua wartete geduldig das Ende dieses neuen Ausbruchs ab, hörte auf seine innere Stimme und verordnete verschiedene Medikamente.
»Körperlich seid Ihr erstaunlich gesund, was man von Eurem seelischen Zustand leider nicht behaupten kann.«
Ungewohnt behutsam wollte der Arzt herausfinden, warum es dieser reichen, im Überfluss lebenden Frau so schlecht ging.
»Hattet Ihr als Kind einmal eine schwere Verletzung?«
»Nein.«
»Wie würdet Ihr das Verhältnis zu Eurem Mann
bezeichnen?«
»Wunderbar! Medes ist der vollkommene Ehemann.«
»Aber irgendetwas quält Euch doch?«
»Ich will schlanker werden, ohne mich einschränken zu müssen… Aber es gelingt mir nicht!«
Dieser falsche Schein machte Gua zu schaffen. Es lag ihm nicht zu sagen: ›Sie hat eine Krankheit, die ich nicht kenne und die ich auch nicht heilen kann.‹ Er spürte, dass er ganz nah an der Wahrheit war, und entschied sich für eine gewagte, aber manchmal sehr wirkungsvolle Behandlungsweise.
»Nehmt diese Medikamente genau nach Anweisung«, riet er ihr. »Sie allein werden allerdings nicht reichen, deshalb schlage ich eine neue Behandlung vor.«
»Und dann muss ich nicht mehr weinen, und es geht mir wieder gut?«
»Das hoffe ich.«
»Ach, Gua, Ihr seid wirklich mein guter Geist! Aber… wird es sehr schmerzhaft sein?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Und wann wollt Ihr damit beginnen?«
»Bald. Aber jetzt müsst Ihr erst die Medikamente nehmen.«
Sie sollten die Frau von Medes auf eine schwierige Erfahrung vorbereiten: Nämlich eine Hypnose. Wahrscheinlich war dies der einzige Weg, auf dem man die großen Ängste ans Licht bringen konnte, die seine Patientin tief in sich begraben hatte.
Auf dem Weg zur fünfzehnten Provinz Unterägyptens bewies der Kapitän seine Meisterschaft. In dieser Wasserwelt fühlte er sich ganz zu Hause und traf, ohne lange zu überlegen, immer die richtigen Entscheidungen.
»Wo soll ich anlegen?«, wollte er jetzt von Isis wissen.
»Ich warte auf ein Zeichen.«
Hier hatte Thot Horus und Seth getrennt, als sie ihren schrecklichen Kampf austrugen, von dem das Gleichgewicht der Erde abhing. Als er die beiden Krieger besänftigte, die sich danach nie wieder feindselig gegenüberstanden, und Horus zum rechtmäßigen Nachfolger von Osiris erklärte, hatte sich der Gott der Erkenntnis zum Vermittler von Maat gemacht. Argwöhnisch beobachtete Sekari die Barken mit den Fischern, die die Reisenden freundlich begrüßten. Da wachten der Hund und der Esel plötzlich auf und sahen zum Himmel. Ein sehr großer Ibis flog hoch vom Himmel auf ihr Schiff zu. Würdevoll ließ er sich auf dem Bug nieder, betrachtete lange die Priesterin und flog dann weiter.
Der große Vogel hatte zwei Gefäße aus Alabaster zurückgelassen, diesem außergewöhnlich harten Stein, der von der Göttin Hathor beschützt wurde.
»Diese Krüge sind mit dem Wasser des Nun gefüllt«, erklärte Isis. »Sie werden die Wiedergeburt des Osiris erleichtern.«
Den Kapitän konnte nichts mehr verwundern, und er nahm Kurs nach Südosten, wie es ihm die Oberpriesterin von Abydos befohlen hatte, also Kurs auf die zwanzigste Provinz
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