Das Geheimnis der Götter
schlimm.«
»Ich würde aber doch gern Näheres darüber erfahren.«
»Das kann ich nur Sobek sagen.«
»Rühr dich ja nicht von der Stelle!«
Die Wache bedrohte Sekari mit einem Knüppel.
Augenblicklich standen Nordwind und Fang links und rechts neben ihm. Der Esel scharrte zornig mit den Hufen, und der Hund knurrte drohend.
»Ganz ruhig, meine Freunde«, sagte Sekari, »er will mir nichts tun.«
Vorsichtig trat der Wachmann zurück.
»Halte diese Ungeheuer fest!«
Mehrere Kameraden eilten ihm zu Hilfe.
»Gibt es Schwierigkeiten?«, wollte ein Offizier wissen.
»Ich möchte Sobek den Beschützer sehen«, bat Sekari höflich.
»Aus welchem Grund?«
»Das kann ich nicht sagen, es ist vertraulich.«
Der Offizier zögerte. Entweder ließ er diesen seltsamen Kerl ins Gefängnis werfen, oder aber er brachte ihn zur Leibwache des Beschützers, die seine Glaubwürdigkeit überprüfen sollte. Nach langem Überlegen entschied er sich für die zweite Möglichkeit.
Der Offizier der Leibwache erkannte Sekari sofort und nahm ihn beiseite.
»Sobek muss auf der Stelle gewarnt werden«, erklärte Sekari.
»Wir müssen ein Stadtviertel nördlich des Neith-Tempels durchsuchen.«
»Warum?«
»Ich glaube, dass sich dort ein Nest der Aufständischen befindet.«
Die Stimme des Offiziers klang heiser.
»Sobek kann keine Befehle mehr erteilen.«
»Gibt es Schwierigkeiten mit den Behörden?«
»Wenn’s weiter nichts wäre!«
»Du willst doch nicht etwa sagen…«
»Komm mit.«
Sobek lag auf einer Matte, sein Kopf ruhte auf einem Kissen, und Gua war gerade dabei, seine zahllosen Wunden zu verarzten.
Sekari kam näher.
»Lebt er noch?«
»Kaum. Noch nie habe ich jemand mit derart vielen Verletzungen gesehen.«
»Könnt Ihr ihn retten?«
»Das wird das Schicksal entscheiden.«
»Weiß man denn, wer ihn überfallen hat?«
Der Offizier rief nach Sobeks Diener, der in abgehackten Sätzen das schreckliche Schauspiel schilderte, dessen Augenzeuge er gewesen war.
Der Offizier zeigte Sekari einen kleinen blutbefleckten Papyrus.
»Wir kennen den Namen des Schuldigen. Er hat die Statuen angefertigt, das Kästchen geschickt und sein Verbrechen auch noch unterzeichnet.«
12
Da er nun alles über den Tempel der Millionen Jahre von Sesostris wusste, hielt es der Prophet nicht länger für notwendig, Schriften zu zerstören, Gegenstände zu besudeln oder Statuen zu verzaubern. Dieser gesamte rituelle Mechanismus, der ständig in Gang war, diente nur dazu, den ka des Pharaos zu nähren und Kräfte hervorzurufen, die Abydos vorbehalten waren. Minderte man diese Kräfte, konnte man nur magere Ergebnisse erzielen. Also musste der Feind jetzt besiegt werden.
Wie üblich erfüllte der Prophet seinen morgendlichen Dienst gewissenhaft und fehlerfrei und machte dann den anderen Zeitweiligen Platz, die für die Pflege des Heiligtums zuständig waren. Dann tat er so, als wolle er in seine Unterkunft, versicherte sich, dass ihn niemand beobachtete, und ging zum Baum des Lebens.
Kein Priester und kein Wächter.
Die Morgenfeier war schon vorbei, und die Akazie des Osiris badete ganz allein im Sonnenlicht. Das Kräftefeld, das die vier jungen Bäume erzeugten, reichte zu ihrem Schutz. Aus der Tasche seines Umhangs holte der Prophet vier Fläschchen mit Gift. In den Nächten zuvor hatte er eine giftige Mischung hergestellt, die nach einiger Zeit zum Tode führte. Die Pflanzen wirkten zwar nach der Verabreichung äußerlich gesund, vertrockneten aber von innen und hörten auf zu wachsen. Wenn der Kahle das bemerkte, war es bereits zu spät. Als Erster war der Osten dran.
Der Prophet goss den Inhalt des Fläschchens an den Stamm der jungen Akazie – eine farb-und geruchlose Flüssigkeit.
»Ich will, dass dich das aufgehende Licht nicht mehr wärmt, sondern verletzt wie der eisige Winterwind.«
Dann waren der Westen und das zweite Fläschchen an der Reihe.
»Der Schein der untergehenden Sonne soll dich einen schrecklichen Tod sterben lassen und dich in Finsternis tauchen.«
Dann kamen der Süden und das dritte Fläschchen.
»Mögen dich die Strahlen des Zenits verbrennen und deinen Lebenssaft verdorren lassen.«
Schließlich ging er mit dem vierten Fläschchen zum Norden.
»Hier hast du die Kälte des Nichts. Sie wird dich verletzen und an dir nagen.«
Schon am nächsten Tag konnte der Prophet die Wirkung des Giftes feststellen. Wenn sich seine Hoffnungen erfüllen sollten, würde das schützende Kräftefeld verschwinden.
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