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Das Geheimnis der Götter

Das Geheimnis der Götter

Titel: Das Geheimnis der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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betreten.«
    »Zeig es mir.«
    Der Greis musste schließlich einsehen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, nahm seinen Stock und ging langsam los. Sesostris reichte ihm den Arm.
    »Hast du Iker kennen gelernt?«
    »Den Schreiberlehrling? Ja, natürlich. Seinem Lehrer zufolge, der ein über die Maßen weiser Mann gewesen ist, war er sehr begabt und hatte ein großes Schicksal vor sich. Iker war ein Einzelgänger, still und sehr, sehr fleißig, die heilige Schrift war sein Ein und Alles. Offenbar war unsere Welt für ihn nur ein Übergang vom Ursprung hin zum Unsichtbaren. Seine Entführung und der Tod seines Lehrmeisters haben Medamud in Trauer und Elend gestürzt. Nicht einmal die Sonne konnte uns mehr wärmen. Heute befreit Ihr uns von diesem Unglück, Majestät!«
    »Ikers Lehrer hat gewusst, wo sich das Heiligtum des Osiris befindet.«
    Der Greis dachte nach.
    »Wenn das so ist, dann hat er dies Geheimnis für sich behalten. Aber er hat uns immer wieder vor einer schrecklichen Gefahr gewarnt. Wir hielten ihn für einen übertriebenen Schwarzseher. Doch dann hat sich der Fremde mit dem Turban und dem Wollgewand unseres Dorfvorstehers bemächtigt. Er hielt sich nur kurz bei uns auf, aber seither liegt Medamud im Dunkeln.«
    Hinter dem zerfallenen Tempel lag ein Garten, dessen verschiedene Pflanzen süße Düfte verströmten.
    »Das ist das Ahnenfeld«, erklärte der Greis. »Weil es keine Vögel gibt, herrscht hier bedrückende Stille. Geht nicht zu nah an den Brustbeerenbaum heran, der an der Grenze zum verbotenen Reich steht. Er sendet tödliche Strahlen aus.«
    »Ich danke dir für deine Hilfe, du kannst jetzt gehen.«
    »Majestät! Ihr werdet doch nicht etwa…«
    »Bereite ein Festmahl vor, die Ernennung des neuen Dorfvorstehers soll gefeiert werden.«
    Sesostris gönnte sich einige Minuten der Besinnung. Er dachte an seinen Sohn im Geiste und an das, was der Stier gesagt hatte. Ikers Auferstehung konnte nur über die des Pharaos erfolgen, die mitten auf dem ältesten aller Hügel des Osiris stattfinden musste.
    Die Vereinigung im anderen Leben setzte die Vereinigung im Tod voraus.
    Der König ging auf den Brustbeerenbaum zu.
    Gelbe und weiße Strahlen bedrängten ihn, wurden aber von seinem Lendenschurz abgefangen.
    Am Fuß des Baums lagen zwei Scheiben – die eine aus Gold, die andere aus Silber –, die mit magischen Zeichen in kanaanitischer Schrift besudelt waren. Der Pharao wischte sie mit Akazien-und Sykomorenblättern weg.
    Ein sanfter Wind kam auf, das Laub raschelte, und Dutzende Vögel begannen zu singen. Die Stimmen der Ahnen konnten wieder klingen, Sonne und Mond beleuchteten den Garten zu ihrer Zeit.
    Als der König die schweren Äste auseinander schob, klagten sie herzzerreißend, aber der Hüne ließ sich davon nicht beeindrucken und bahnte sich einen Weg.
    Nach etwa fünfzig Schritten gelangte er zu einem verfallenen Pylonen, der einzigen Öffnung in einer teilweise eingefallenen Ziegelmauer.
    Kein einziger Vogel bewohnte dieses heilige Wäldchen, in dem seit mehreren Menschenaltern vollkommene Stille herrschte.
    Sesostris betrat den kleinen Tempel. Hinter dem Eingang befand sich ein rechteckiger Hof, der von Grün überwuchert war, dahinter ein zweiter Pylon und ein weiterer Hof, der kleiner und schmaler war.
    Plötzlich bewegte sich das Pflanzenwerk auf dem Boden. Eine lange Schlange in den Farben der Krone – rot und weiß –
    war von ihm aufgeschreckt worden und machte sich davon. Der Pharao trat fest auf, um mögliche Artgenossen zu vertreiben, und machte sich dann an die Erforschung der Örtlichkeiten.
    Er fand weder Inschriften noch Wandbilder.
    Im Westen und im Osten entdeckte er zwei Nischen, von denen je ein schmaler, gewundener Gang ausging, der zu einem rechteckigen Saal mit feinem Sand auf dem Boden und einem eiförmigen Hügel führte: die zwei Sternenbilder, die Orte, an denen Osiris Ruhe fand.
    So ergaben die Worte, die der Stier ausgesprochen hatte, erst einen Sinn, und der Weg des Königs war vorgezeichnet. Sesostris erteilte dem aus Theben eingetroffenen Baumeister genaue Anweisungen: Der größte Teil des Tempels von Medamud sollte der Wiedergeburtsfeier des Pharaos gewidmet sein. Statuen und Wandmalereien rühmten diesen
    entscheidenden Augenblick einer Herrschaftszeit, in der sich die Kräfte des Regenten durch seine Vereinigung mit den Gottheiten und Vorfahren erneuerten. Als Meisterwerk des unaufhörlichen kosmischen Handwerks übernahm der Herr über die Zwei

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