Das Geheimnis der Götter
lüften?«, fragte Isis.
»Die Sicherheitsmaßnahmen erweisen sich als äußerst wirkungsvoll. Die Anwesenheit der vielen Soldaten hier missfällt mir sehr, aber es gibt keine andere Möglichkeit, Iker zu schützen.«
»Hat man Euch dazu Fragen gestellt?«
»Selbstverständlich! Außerdem hätte ich sofort jeden Einzelnen verdächtigt, der sich darüber nicht erstaunt hätte. Es ist nur natürlich, wenn die ständigen Priester und die erfahrenen Zeitweiligen darüber mit mir sprechen. Nephthys und ich lassen sie glauben, wir würden fieberhaft nach magischen Sprüchen suchen, durch die Abydos beschützt werden kann.«
Nephthys nahm die Hände ihrer Schwester Isis.
»Die Barke des Osiris bewahrt die Mumie des Iker«, sagte sie. »Ich magnetisiere sie jeden Tag mehrfach, und der Kahle spricht die Worte der Macht. Es gibt kein Anzeichen für Verfall, dein Gatte überlebt zwischen zwei Welten. Wir gießen den Garten, in den Ikers Vogel-Seele zum Trinken kommt, und die Pflanzen dort gedeihen weiter. Sammle die Reliquien, Isis, und lass dich auf keinen Fall davon abbringen!«
Das gequälte Lächeln der Isis sprach Bände – sie glaubte nicht, dass sie Erfolg haben könne.
»Möchtest du ihn sehen?«, fragte Nephthys.
»Ich nehme an, dass die Verbrecher das Haus des Lebens ständig beobachten. Sollten sie mich dort sehen, werden sie verstehen, dass wir das Unmögliche versuchen. Wir sollten das Geheimnis so lange wie irgend möglich wahren. Sobald es bekannt ist, wird der Prophet neue zerstörerische Kräfte walten lassen, um Iker ein zweites Mal zu töten.«
»Weder der Kahle noch ich würden dich verraten!«
»Ich hätte so gern mit Iker gesprochen, aber damit würde ich ihn nur in Gefahr bringen! Das musst du ihm erklären, liebe Schwester.«
Isis nahm die Reliquien, die sie bisher gesammelt hatte, aus dem Korb der Geheimnisse.
»Bringe sie ins Haus des Lebens. Ich muss sofort wieder aufbrechen.«
Nephthys begleitete ihre Schwester zur Anlegestelle und wollte ihr noch etwas anvertrauen.
»Einer der ständigen Priester gefällt mir nicht.«
»Bega?«
»Hältst du ihn auch für verdächtig?«
»Verdächtig ist vielleicht übertrieben, aber ich kenne sein wahres Wesen nicht. Hast du ihm etwas vorzuwerfen?«
»Noch nicht.«
»Glaubst du, er hat etwas mit Ikers Ermordung zu tun?«
»Ohne eindeutige Beweise lässt sich da nichts behaupten.«
»Sei sehr vorsichtig«, bat Isis. »Du weißt, der Feind schreckt nicht einmal davor zurück zu töten.«
Von ihrer besonderen Beziehung zu dem geheimnisvollen, verführerischen Asher erzählte ihr Nephthys lieber nichts. Mit dieser Art von Gefühlen hätte sie Isis wahrscheinlich nur traurig gestimmt oder verletzt – jetzt, wo das Schicksal von Abydos und Ikers Überleben auf dem Spiel standen.
30
Ganz Memphis lag in tiefem Schlaf, nur General Nesmontu nicht. Nach einem schmackhaften Abendessen lief er auf der Terrasse von Sehoteps Villa auf und ab. Der alte General ertrug es nicht, zur Untätigkeit verurteilt zu sein, und schenkte der eindrucksvollen Aussicht auf die Hauptstadt keinerlei Beachtung. Fern von seinen Soldaten und ihren Kasernen fühlte er sich überflüssig.
Der vornehme Sehotep trat zu ihm. Man hatte ihn um seine festlichen Abendgesellschaften gebracht, in deren Verlauf er die Gesinnung der geladenen Würdenträger zu prüfen pflegte. Außerdem hatte man ihm auch verboten, seine
Tempelumbauten und -erneuerungen fortzusetzen. Deshalb langweilte sich der gewitzte, kluge Schreiber fast zu Tode.
»Ich werde immer dicker«, klagte Nesmontu. »Dein Koch ist so begabt, dass ich keinem seiner Gerichte widerstehen kann. Und weil es mir an Bewegung fehlt, bin ich bestimmt bald fettleibig!«
»Möchtest du vielleicht einige Maximen von Ptah-Hotep über die Selbstbeherrschung hören?«
»Die kenne ich auswendig und schlafe höchstens ein, wenn du sie mir vorträgst. Warum spannt uns Sobek nur so lange auf die Folter?«
»Weil er abwartet, bis er sich seiner Sache ganz sicher ist.«
»Sekari hat einen Unterschlupf der Aufständischen entdeckt. Ich gehe hin, scheuche sie auf, verhöre sie, sie nennen mir die Namen ihrer Anführer, und wir enthaupten die Armee der Finsternis!«
»Nein, wir haben es hier nicht mit einem gewöhnlichen Gegner zu tun«, erinnerte ihn Sehotep. »Denk nur einmal an Dreizehn und seinesgleichen. Blinder Eifer vervielfacht ihren Hass nur, sie ergeben sich nicht, sie reden nicht und sterben lieber. Sobek hat sich für eine
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