Das Geheimnis der Götter
kluge Vorgehensweise entschieden: Wir machen die Widerständischen glauben, sie hätten freie Bahn.«
»Dafür sieht man aber reichlich wenig von ihnen.«
»Erst müssen die falschen Nachrichten in Umlauf kommen und vollkommen glaubhaft werden – vor allem die von deinem Tod und Sobeks lebensgefährlicher Verletzung. Plötzlich gibt es keinen General und auch keinen Wesir mehr, dafür aber Streitereien unter den Bewerbern für diese wichtigen Ämter: Was für eine ausgezeichnete Gelegenheit für einen Großangriff! Aber die Gewährsleute des Propheten sind vorsichtig, sie unternehmen nichts, solange ihnen der Sieg nicht gewiss ist.«
»Meinetwegen! Dann sollten sie sich aber endlich mal zeigen!«
»Das dauert nicht mehr lange«, versprach Sehotep.
»Wie gern würde ich deine Zuversicht teilen.«
»Wie du weißt, bin ich zurzeit ebenfalls alles andere als zuversichtlich.«
»Hör auf, dich zu quälen, deine Unschuld wird bewiesen.«
»Die Zeit ist gegen mich. Dann hilft es mir auch nicht mehr, wenn der Pharao die Zwei Länder und Abydos rettet.«
Nesmontu verschränkte die Arme hinter dem Rücken und nahm seine Wanderung wieder auf. Nachdenklich betrachtete Sehotep Memphis – eine leichte Beute für gefährliche Raubtiere.
Der ehemalige Gehilfe des Dorfvorstehers von Medamud war zwar glimpflich davongekommen, schäumte aber trotzdem vor Wut über seine Absetzung. Als Spitzel des Propheten wunderte er sich über das Eintreffen von Sesostris in Medamud. Der Pharao war bestimmt nicht nur gekommen, um den Dorfvorsteher zu bestrafen! Als er sich eingehend nach dem Osiris-Tempel erkundigte, hatte er sein wahres Ziel preisgegeben: Er war auf der Suche nach einem längst in Vergessenheit geratenen, vielleicht auch schon lange zerstörten Heiligtum.
Der Aufständische verwandelte sich wieder in einen einfachen Dorfbewohner, er nahm seinen Bart ab, zog einen Lendenschurz an, wie ihn die Bauern in der Gegend trugen, und trieb sich ein wenig in der Nähe der Baustelle herum, auf der die aus Theben eingetroffenen Handwerker arbeiteten. Sie waren erstaunlich gut eingerichtet und arbeiteten in Schichten Tag und Nacht. Auch das war ungewöhnlich!
Warum war es dem Pharao mit der Wiederherstellung so eilig?
Und warum wurde die Baustelle von besonders gut ausgebildeten Soldaten bewacht?
Ganz offensichtlich lag Medamud dem König besonders am Herzen.
Sollte er, der ehemalige Helfershelfer, die Gründe für dieses erstaunliche Verhalten entdecken, würde ihn der Prophet bestimmt befördern. Endlich könnte er dieses langweilige kleine Dorf verlassen und nach Memphis in ein schönes Haus ziehen. Ehemals hohe Würdenträger sollten für ihn als Dienstboten arbeiten und ihm jeden Wunsch erfüllen. Für solch eine Zukunft lohnte es sich schon, einige Gefahren auf sich zu nehmen.
Mit ehrerbietig geneigtem Haupt reichte er dem Hauptmann der Wachsoldaten einige lauwarme Fladen.
»Ein Geschenk unseres neuen Dorfvorstehers«, erklärte er.
»Hättet Ihr gern mehr davon?«
»Warum denn nicht.«
»Heute Abend bringe ich Euch Bohnenmus. Aber der König verlangt bestimmt nach besonderen Speisen. Was soll ich beim Koch des Dorfvorstehers bestellen?«
»Kümmre dich nicht darum.«
»Ist Seine Majestät etwa krank?«
»Mach schon, geh jetzt die anderen Fladen holen.«
Die Schweigsamkeit des Hauptmanns sprach Bände. Aus irgendeinem schwerwiegenden Grund wurde Sesostris hier aufgehalten, vielleicht beging er sogar ein Ritual, das mit dem Osiris-Heiligtum von Medamud in Zusammenhang stand. Die Absperrungen konnte er unmöglich überwinden. Der Spitzel schlich sich hinter den Tempel und musste zu seiner großen Überraschung feststellen, dass der heilige Wald, der seit mehreren Menschenaltern unzugänglich gewesen war, ebenfalls streng bewacht wurde.
Dann war der König also dort gewesen! Nur diesem Hünen konnte es gelingen, diese grünen Ungeheuer zu vertreiben, die bislang jeden Neugierigen erstickt hatten.
Solange der Tempel erneuert und vergrößert wurde, hielt sich Sesostris wohl in diesem verbotenen Garten auf. Wie kam er dort hinein, um die wahren Absichten des Königs herauszufinden?
Es gab einen Mann, der ihm dabei helfen konnte – freiwillig oder gezwungenermaßen: der Achtzigjährige, der den Ältestenrat von Medamud leitete.
Der Greis hockte auf einem Korbstuhl und blickte den Gehilfen des Propheten finster an.
»Es gibt hier kein Osiris-Heiligtum. Das ist weiter nichts als eine Sage.«
»Hör auf zu lügen!
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