Das Geheimnis der Götter
Du hast die ganze Bevölkerung überzeugt, dieses Geheimnis zu hüten. Aber ich will es jetzt wissen!«
»Was faselst du denn da? Verschwinde aus meinem Haus!«
»Ich weiß, dass man auch in deinem Alter am Leben hängt, und ganz besonders an dem seiner Kinder und Enkelkinder. Antworte mir, oder du wirst deinen Starrsinn schwer bereuen.«
»Willst du mir etwa drohen?«
»Ich habe viel zu gewinnen, da kommt es mir auf die Mittel nicht weiter an!«
Der alte Mann nahm die Drohung ernst.
»Dieses Heiligtum gibt es tatsächlich, aber es ist völlig verfallen.«
»Befindet sich dort vielleicht eine Gruft mit einem Schatz?«
»Möglich.«
»So rede schon, ich werde allmählich ungeduldig.«
»Genau genommen sind es zwei unterirdische Kapellen.«
»Und was befindet sich darin?«
Der Greis lächelte. »Nichts, sie sind leer.«
»Du machst wohl Scherze!«
»Überzeuge dich doch selbst.«
»Gib mir eine genaue Beschreibung der Anlage.«
Der alte Mann zeichnete sie ihm auf.
Als er sich sicher war, dass ihn sein Auskunftgeber nicht betrogen hatte, erwürgte ihn der Schüler des Propheten. Angesichts seines hohen Alters würde die Familie bestimmt an einen natürlichen Tod glauben.
Jetzt musste er nur noch irgendwie in den heiligen Wald kommen, den sagenhaften Schatz an sich bringen und herausfinden, was der König dort machte.
Mit etwas Glück könnte er ihn vielleicht sogar töten! Als er sich die Belohnung dafür vorstellte, wurde dem Mörder ganz schwindlig. Er legte sein Opfer aufs Bett, verließ dessen bescheidene Behausung und ging sich erst einmal stärken.
Sekari bestaunte das kleine Zepter aus Elfenbein, mit dem Isis gerade einen kräftigen Südwind hatte aufkommen lassen, der ihr Schiff nun pfeilschnell übers Wasser trug.
»Es hat einmal dem Skorpion-König gehört, einem der frühesten Pharaonen, die in Abydos begraben wurden«, erklärte Isis. »Mein Vater hat es mir anvertraut, weil ich damit das Schicksal beeinflussen kann. Dieses Zepter und das Messer von Thot sind meine einzigen Waffen.«
»Du hast deine Liebe zu Iker vergessen, diese einzigartige und unzerstörbare Liebe. Was ihr auf dieser Erde verbunden habt, wird auch verbunden bleiben.«
Ipu, die Hauptstadt der neunten Provinz Oberägyptens, war stolz auf ihren Tempel, denn er barg einen außergewöhnlichen Schatz seines Schutzgottes, einen Meteoriten. Zu Beginn der Ersten Dynastie vom Himmel gefallen, sorgte dieser aus den Sternen geborene Stein für Wohlstand und Fruchtbarkeit. Obwohl der Überlieferung gemäß in ein weißes Grabtuch gekleidet, das an den Tod erinnern sollte, zeigte der Gott Min überdeutlich, dass das Leben gesiegt hat: Mit unaufhörlich erigiertem Glied befruchtete er das Weltall und die Dinge in all ihren Formen.
Isis ging zum Tempel, vor dem ein Ritualist den Eingang zum Saal der Reinigung bewachte.
»Ich möchte zu Eurem Oberpriester.«
»Aus welchem Grund?«
»Willst du mir etwa den Zutritt zum Mondschloss verwehren? Hier lauscht man der Welt und schreibt ihre Botschaft nieder.«
Der Wächter wurde ganz blass, in wenigen Worten hatte die junge Frau ihr Wissen belegt. Sie kannte die geheimen Namen des Tempels und wusste, was die Osiris-Reliquie vermochte. Nachdem die Reinigung vollzogen war, lud der Priester die Besucherin zu einigen Minuten der Besinnung in den großen offenen Hof ein, während er den Hohen Priester holen ging, der auch sofort erschien.
Der stattliche achtzigjährige Mann kam gleich zur Sache und fragte: »Wann habt Ihr das Mondschloss gesehen?«
»Bei meiner Initiation in die Zwei Wege.«
»Aber das war…«
»Ich bin Isis, die Oberpriesterin von Abydos, und ich möchte die Reliquie aus Eurem Tempel haben.«
Mehr musste sie dem Oberpriester nicht erklären. Da der Körper des Osiris erneut zusammengesetzt werden sollte, stand wohl eine Auferstehung, ähnlich der des Baumeisters Imhotep, bevor.
Also überreichte er der jungen Priesterin die Ohren des Osiris.
In schneller Fahrt setzte das Schiff seine Reise Richtung Norden fort. Mit ihren Zauberkräften verlängerte Isis die Zeit, verkürzte die Stunden, bekämpfte die Müdigkeit der Mannschaft und hielt sie bei Kräften.
Ohne Zwischenfälle durchquerten sie mehrere Provinzen, bis sie in die Nähe von Khemenu kamen, der Stadt Thots und der Ogdoade.
Sekari spürte, wie unruhig Isis auf einmal war.
»Sollen wir anlegen?«
»Nein, eigentlich nicht. Unser nächstes Ziel ist das Heiligtum der Gepardengöttin Pachet. Aber ich ahne,
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