Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
mein Volk segelte, um dieses Land zu erreichen. Es heißt, dieser Ozean sei schwarz gewesen wie Teer, aber seine Wogenkämme schimmerten wie Perlen.«
Während sie das sagte, streckte Gan Itai den Arm aus und ergriff Miriamels Hand. Verblüfft und verunsichert sträubte die Prinzessin sich nicht, sondern starrte nur weiter hinaus aufs Meer. Gleich darauf schoben die langen, ledrigen Finger der Niskie etwas in ihre Handfläche.
»Die See kann ein einsamer Ort sein«, fuhr Gan Itai fort, als sei ihr nicht bewusst, was ihre eigene Hand tat. »Sehr, einsam. Oft findet man schwer Freunde. Man weiß nicht, wem man trauen kann.« Die Hand der Niskie sank herab und verschwand wieder im weiten Ärmel ihres Gewandes. »Ich hoffe, Ihr findet jemanden, dem Ihr Euer Vertrauen schenken könnt … Herrin Marya.« Die Pause vor Miriamels falschem Namen war nicht zu überhören.
»Das hoffe ich auch«, erwiderte Miriamel beunruhigt.
»Ah.« Gan Itai nickte. Der schmale Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Ihr seht ein wenig blass aus. Vielleicht ist der Wind zu stark für Euch. Ihr solltet Euch in Eure Kabine zurückziehen.« Die Niskie neigte kurz den Kopf und entfernte sich. Ihre nackten braunen Füße trugen sie geschickt über das schwankende Deck.
Miriamel schaute ihr nach und warf dann einen Blick zum Ruder hinauf, wo Graf Aspitis stand und mit dem Steuermann sprach. Der Graf hob den Arm, um sich aus seinem goldenen Mantel zu befreien, den ihm der Wind um den Körper gewickelt hatte. Er bemerkte Miriamel und lächelte kurz, um dann seine Unterhaltung wieder aufzunehmen. Nichts an seinem Lächeln war anders als sonst, außer vielleicht seine Beiläufigkeit, aber Miriamel wurde es plötzlich kalt ums Herz. Sie schloss die Faust enger um den zusammengerollten Pergamentstreifen, voller Angst, der Wind könnte ihn ihr aus derHand reißen und Aspitis genau vor die Füße wehen. Sie hatte zwar keine Ahnung, was darauf stehen konnte, aber irgendwie wusste sie mit Bestimmtheit, dass der Graf es nicht zu sehen bekommen sollte.
Sie zwang sich, gemächlich über das Deck zu schreiten, wobei sie sich mit der freien Hand am Geländer festhielt. Ihr Gang war bei weitem nicht so stetig wie Gan Itais.
In der dämmrigen Kabine rollte Miriamel das Pergament sorgfältig auseinander. Sie musste es dicht an die Kerzenflamme halten, um die winzigen, gekritzelten Buchstaben entziffern zu können.
»Ich habe im Leben viel Unrecht getan «, las sie, »und weiß sehr wohl, dass Ihr mir nicht mehr vertraut. Trotzdem bitte ich Euch, glaubt mir, dass diese Worte ehrlich gemeint sind. Ich bin viele Menschen gewesen; keiner davon taugte etwas. Padreic war ein Narr. Cadrach ein Gauner. Vielleicht kann noch etwas Besseres aus mir werden, bevor ich sterbe.«
Sie fragte sich, wie er Pergament und Tinte aufgetrieben hatte, und kam zu dem Ergebnis, dass die Niskie es ihm gebracht haben musste. Sie starrte auf die schwer lesbare Schrift und dachte an die schwachen, mit Ketten beladenen Arme des Mönchs. Jähes Mitleid überkam sie. Wie qualvoll musste es für ihn gewesen sein, diese Sätze niederzuschreiben! Aber warum konnte er sie auch nicht in Ruhe lassen? Warum ließ kein Mensch sie einfach nur zufrieden?
Wenn Ihr dies lest, hat Gan Itai ihr Versprechen gehalten. Sie ist die Einzige auf dem Schiff, der Ihr vertrauen könnt … außer vielleicht mir. Ich weiß, dass ich Euch betrogen und im Stich gelassen habe. Ich bin ein schwacher Mensch, Herrin, doch zumindest mit meinen Warnungen habe ich Euch treu gedient und versuche es noch immer. Ihr seid an Bord dieses Schiffs nicht sicher. Graf Aspitis ist noch viel schlimmer, als ich befürchtet hatte. Er ist mehr als nur ein alberner Laffe vom Hof Herzog Benigaris’. Er gehört zu den Dienern von Pryrates.
Ich habe Euch vieles vorgelogen, Herrin, und andererseits viele Wahrheiten verborgen. Nicht alles kann ich an dieser Stelle richtigstellen. Schon jetzt sind meine Finger müde, und meine Arme schmerzen. Doch eines will ich Euch sagen: Niemand lebt auf dieser Welt, der besser als ich weiß, wie abgrundtiefböse Pryrates der Priester ist. Und es gibt auch keinen, der größere Schuld an dieser Bosheit trägt, denn ich war es, der ihm half, zu werden, was er ist.
Es ist eine lange und verwickelte Geschichte. Ich will nur so viel sagen, dass ich, zu meiner ewigen und furchtbaren Schande, Pryrates den Schlüssel zu einer Tür verschaffte, die er niemals hätte öffnen dürfen. Schlimmer noch, ich tat es,
Weitere Kostenlose Bücher