Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
die Schulter. »Trotzdem ist es Eure Pflicht. Ihr seid Lluths Tochter.«
Maegwin verzog das Gesicht, ließ sich jedoch nicht ablenken. »Woher wusste diese Frau, dass ich in den unteren Höhlen war?« Der alte Mann zuckte die Achseln. »Ihr habt Euch nicht sonderlich bemüht, ein Geheimnis daraus zu machen. Und Ihr könnt nicht erwarten, dass die Leute keinen Anteil an dem nehmen, was die königliche Familie tut. Gerede gibt es immer.«
Maegwin runzelte die Stirn. Natürlich hatte Craobhan recht. Mit ihrer Erforschung der unteren Höhlen hatte sie unbesonnen und eigenmächtig gehandelt. Hätte sie die Angelegenheit geheim halten wollen, hätte sie früher darauf achten müssen.
»Und was halten sie davon?«, fragte sie endlich. »Die Leute, meine ich.«
»Von Euren Abenteuern?« Craobhan lachte mürrisch. »Ich nehme an, da gibt es so viele Meinungen wie Kochfeuer. Manche sagen, Ihr hättet die Götter gesucht. Andere denken, Ihr suchtet ein Schlupfloch, um dem ganzen Elend zu entkommen.« Er drehte sich um und spähte über seine knochige Schulter zu ihr hin. Sein Blick war so selbstgefällig, dass Maegwin ihm am liebsten eine Maulschelle verpasst hätte. »Bis Mittwinter werden sie erzählen, Ihr hättet eine Stadt aus Gold gefunden oder mit einem Drachen oder einem zweiköpfigen Riesen gekämpft. Am besten vergesst Ihr das Ganze. Geschichten sind wie Hasen – nur ein Narr rennt hinter ihnen her und versucht sie einzufangen.«
Maegwin betrachtete finster seinen kahlen alten Hinterkopf. Sie war nicht sicher, was ihr unangenehmer war – wenn man Lügen über sie verbreitete oder wenn man die Wahrheit wusste. Einen Augenblick wünschte sie sich, Eolair wäre wieder da. Wankelmütiges Weib, spottete sie über sich selbst.
Aber es stimmte. Sie sehnte sich danach, mit ihm zu reden, ihm alle ihre Gedanken, selbst die wahnwitzigsten, anvertrauen zu können. Bestimmt würde er sie verstehen. Oder würde es ihn nur noch stärker von ihrer Nichtswürdigkeit überzeugen? Letzten Endes war auch das gleichgültig. Eolair war schon über einen Monat fort, und Maegwin wusste nicht einmal, ob er noch lebte. Sie selbst hatte ihn weggeschickt. Jetzt wünschte sie von Herzen, sie hätte es nicht getan.
Furchtsam, aber entschlossen hatte Maegwin die kalten Worte, die sie in der versunkenen Stadt Mezutu’a zu Graf Eolair gesprochen hatte, auch später nicht zurückgenommen. In den wenigen Tagen zwischen ihrer Rückkehr von dort und Eolairs Aufbruch zu Josuas Lager von Aufständischen, von dem die Gerüchte kündeten, hatten die beiden kaum ein Wort miteinander gewechselt.
Eolair hatte den größten Teil dieser Zeit unten in der alten Stadt verbracht und ein paar mutige Schreiber dabei angeleitet, die steinernen Pläne der Unterirdischen auf Rollen aus Schafshaut zu kopieren. Maegwin hatte ihn nicht begleitet. Obwohl die Unterirdischen sich freundlich verhalten hatten, erfüllte der Gedanke an dieleere, hallende große Stadt die Prinzessin mit Ärger und Enttäuschung. Sie hatte sich geirrt. Sie war zwar nicht verrückt, wie viele glaubten, aber sie hatte sich geirrt. Sie hatte gedacht, es sei der Wille der Götter, dass sie die Sithi dort unten fand. Aber die Sithi waren verschwunden und überdies vielleicht selbst voller Angst. Sie würden ihrem Volk nicht helfen können. Und was die Unterirdischen betraf, die einstigen Diener der Sithi, so waren sie kraftlos wie Schatten und kaum fähig, für sich selbst zu sorgen.
Beim Abschied von Eolair tobten so widersprüchliche Gefühle in Maegwin, dass sie nur wenig mehr als ein kurzes Lebewohl über die Lippen brachte. Der Graf hatte ihr ein Geschenk der Unterirdischen in die Hand gedrückt – einen glänzenden, grauweißen Kristallblock, in den Yis-fidri, der Chronist, in seinem eigenen Runenalphabet ihren Namen eingeschnitten hatte. Er sah fast so aus, als sei er ein Teil des Scherbens, aber ihm fehlte das flackernde Licht im Inneren. Danach hatte Eolair sich umgedreht und sein Pferd bestiegen, wobei er nur mühsam seinen Zorn verbarg. Als der Graf von Nad Mullach den Abhang hinunterritt und im Schneegestöber verschwand, hatte Maegwin gespürt, wie etwas in ihr zerriss. Gewiss hatte sie die Götter angefleht, ihr in diesen schlimmen Zeiten Halt zu geben. Aber die Götter, so hatte es den Anschein, ließen sich heutzutage Zeit mit ihrer Hilfe.
Maegwin hatte angenommen, ihre Träume von einer Stadt unter der Erde seien ein Zeichen für den guten Willen der Götter gewesen, die
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