Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Herzen.
Sie fanden eine Lichtung in einem niedrigen Gehölz, schlugen ihr Lager auf, solange es noch hell war, und schichteten aus dürrem Holz ein Feuer auf. Der Schnee, der große Teile des Nordens bedeckt hatte, war hier im Seen-Thrithing offenbar nicht liegen geblieben. Aber als die Sonne unterging, wurde der Abend so kalt, dass sie sich alle dicht ans Feuer drängten. Miriamel war dankbar, dass sie ihr zerfetztes, von der Reise verschmutztes Novizen-Habit nicht weggeworfen hatte.
Eisiger Wind sägte an den Ästen über ihren Köpfen. Das Gefühl des Eingeschlossenseins im Wran war einer Empfindung gefährlichen Ausgesetztseins gewichen. Aber wenigstens war der Boden trocken, und das, fand Miriamel, war immerhin ein deutlicher Vorzug.
Am nächsten Tag fühlte sich Tiamak etwas kräftiger und konnte den größten Teil des Vormittags selbst laufen, bevor Camaris ihn wieder auf die breiten Schultern hob. Isgrimnur war, nachdem sie die Sümpfe hinter sich gelassen hatten, fast wieder der alte. Er stimmte zweifelhafte Lieder an – Miriamel unterhielt sich damit, dass sie nachzählte, wie viele Verse er jeweils vortrug, bevor er bestürzt abbrach und um Verzeihung bat – und erzählte Geschichten von Schlachten und Wundern, die er gesehen hatte. Im Gegensatz zu ihm war Cadrach so schweigsam wie nach ihrer Flucht von der Eadne-Wolke. Wenn man ihn ansprach, gab er Antwort. Zu Isgrimnur war er auffällig höflich und benahm sich fast so, als seien niemals harte Worte zwischen ihnen gefallen. Sonst aber verhielt er sich während des ganzen Tages so still wie Camaris. Miriamel gefiel seinhohläugiger Blick ganz und gar nicht, aber nichts, was sie sagte oder tat, änderte etwas an seiner ruhigen Zurückhaltung, sodass sie es schließlich aufgab.
Den Wirrwarr des Wrans hatten sie lange hinter sich gelassen – sogar von einem der höheren Hügel war er nur noch als schwarzer Streifen am Horizont erkennbar –, als sie ihr Lager in einem kleinen Hain aufschlugen. Miriamel fragte sich, wie weit sie schon gekommen waren und, wichtiger noch, wie groß die Wegstrecke war, die noch vor ihnen lag.
»Wie weit werden wir gehen müssen?«, fragte sie Isgrimnur, mit dem sie eine Schüssel Suppe aus Haindorfer Trockenfisch teilte. »Habt Ihr eine Vorstellung?«
Der Herzog schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher, Herrin. Vielleicht zweihundert oder dreihundert Meilen, vielleicht auch weniger. Eine sehr lange Wanderung jedenfalls, fürchte ich.«
Miriamel verzog betrübt das Gesicht. »Das kann Wochen dauern.«
»Was bleibt uns anderes übrig? Immerhin, Prinzessin, wir machen Fortschritte und sind Josua schon ein Stück näher gekommen.«
Miriamel spürte einen kleinen Stich ins Herz. »Wenn er wirklich dort ist.«
»Das ist er, Mädchen, das ist er.« Isgrimnur zerquetschte ihr mit der breiten Tatze fast die Finger. »Das Schlimmste haben wir hinter uns.«
Im bläulichen Licht unmittelbar vor Tagesanbruch wurde Miriamel plötzlich geweckt. Ihr blieb kaum eine Sekunde, um sich zu besinnen, bevor sie jemand am Arm packte und in die Höhe riss. Eine triumphierende Stimme meldete in schnellem Nabbanai: »Da ist sie! Angezogen wie ein Mönch, Herr, ganz wie Ihr gesagt habt.«
Ein Dutzend Berittene, mehrere davon mit Fackeln, hielten sie umringt. Isgrimnur saß auf der Erde, eine fremde Lanze am Hals, und stöhnte.
»Es war meine Wache«, brummte er bitter. »Meine Wache!«
Der Mann, der Miriamels Arm umklammerte, zerrte sie ein paar Schritte über die Lichtung auf einen der Reiter zu. Dieser war von hoher Gestalt und trug eine weite Kapuze. Im grauen Dämmerlichtwar sein Gesicht nicht zu erkennen. Eine Klaue aus Eis legte sich um Miriamels Herz.
»So«, sagte der Reiter in akzentuiertem Westerling. »So.«
Obwohl seine Aussprache etwas eigentümlich Verwaschenes hatte, klang die Stimme unmissverständlich selbstgefällig.
Etwas von Miriamels Grauen schmolz in der Hitze ihres Zorns. »Nehmt Eure Kapuze ab, Herr. Ihr braucht keine solchen Spiele mit mir zu spielen.«
»Ach ja?« Der Reiter hob die Hand. »Wollt Ihr Euer Werk begutachten?« Mit der geschmeidigen Geste eines Wanderschauspielers schob er die Kapuze zurück. »Bin ich so schön, wie Ihr mich in Erinnerung habt?«, fragte Aspitis.
Obwohl die Hand des Soldaten sie daran hindern wollte, wich Miriamel unwillkürlich zurück. Das Gesicht des Grafen, einst so wohlgestaltet, dass es ihr nach ihrer ersten Begegnung nächtelang im Traum erschien, war eine entstellte
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