Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
fest an sich. »Ich habe sie schon vergessen.«
Binabik hob den Kopf und sah in das Tal. An vielen Stellen war der Schnee geschmolzen. Gelbgrüne Grasbüschel lugten hervor. »Die Herden werden sich krank fressen«, meinte er. »Sie sind solchen Überfluss nicht gewöhnt.«
»Wird der Schnee denn ganz weggehen?«, fragte sie. »Du hast mir einmal gesagt, diese Länder seien sonst in dieser Jahreszeit schneefrei.«
»Meistens ja. Aber der Winter ist weit nach Süden vorgedrungen. Er scheint sich allerdings zurückzuziehen.« Er schaute zum Himmel auf. Die wenigen Wolken beeinträchtigten die Kraft der Sonne nicht. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich kann nicht glauben, dass er, der den Winter so weit in das Tiefland geschickt hat, aufgegeben hat. Es macht mich unsicher.« Er löste die Hand von Sisqis Seite und klopfte sich einmal kurz auf das Brustbein, um Böses abzuwehren. »Eigentlich bin ich gekommen, um dir zu sagen, wie leid es mir tut, dich in letzter Zeit so wenig gesehen zu haben. Es gab so vieles zu entscheiden. Geloë und wir anderen haben viele Stundenmit Morgenes’ Buch gearbeitet und nach Antworten auf die Fragen gesucht, die noch immer ungelöst sind. Wir haben auch Ookequks Schriftrollen studiert, und das ist ohne mich nicht möglich.«
Sisqi hob seine andere Hand, die sie festgehalten hatte, an ihre Wange, drückte sie und gab sie dann frei. »Du brauchst dich nicht zu grämen. Ich weiß, was du tust.« Sie deutete mit dem Kopf auf die am Ufer schaukelnden Boote. »So wie du weißt, was ich tun muss.« Sie schlug die Augen nieder. »Ich habe dich im Rat der Tiefländer aufstehen und sprechen sehen. Ich konnte die meisten Worte nicht verstehen, aber ich sah, wie sie dich mit Respekt betrachteten, Binbineqegabenik.« Sie gab seinem vollen Namen einen rituellen Klang. »Ich war stolz auf dich, mein Mann. Ich wünschte nur, meine Mutter und mein Vater hätten dich so sehen können. So wie ich dich immer sehe.«
Binabik schnaubte, war aber sichtlich erfreut. »Ich glaube nicht, dass die Hochachtung der Tiefländer auf dem Kerbholz deiner Eltern viel zählen würde. Aber ich danke dir. Auch von dir halten die Tiefländer viel – und von unserem ganzen Volk, nachdem sie uns in der Schlacht gesehen haben.« Sein rundes Gesicht wurde ernst. »Und das ist das Zweite, von dem ich sprechen wollte. Du hast mir gesagt, du dächtest daran, nach Yiqanuc zurückzukehren. Soll das bald sein?«
»Ich denke noch darüber nach. Ich weiß, dass meine Eltern mich brauchen, aber ich denke auch, dass es hier noch etwas für uns zu tun gibt. Tiefländer und Trolle, die gemeinsam kämpfen – vielleicht ist das etwas, das in späteren Tagen größere Sicherheit für unser Volk bedeuten kann.«
»Kluge Sisqi«, lächelte Binabik. »Aber dieser Kampf könnte auch zu grausam für die Qanuc werden. Du hast noch nie einen Krieg um eine Burg erlebt – ›Belagerung‹ nennen es die Tiefländer. Es wäre möglich, dass es in einer solchen Schlacht wenig Bedarf für Trolle, aber viel Gefahr gibt. Und vor Josua und seinen Kriegern liegen mindestens eine oder zwei solcher Belagerungen.«
Sisqi nickte feierlich. »Ich weiß. Aber es gibt noch einen wichtigeren Grund, Binabik. Es würde mir sehr schwerfallen, dich wieder zu verlassen.«
Binabik schlug die Augen nieder. »So wie ich es hart fand, von dir fortzugehen, als mich Ookequk mit nach dem Süden nahm. Aber wir wissen beide, dass es Pflichten gibt, die uns zu Dingen zwingen, die wir nicht wollen.« Er nahm ihren Arm. »Komm. Wir wollen ein Stück gehen. In den nächsten Tagen und Wochen werden wir nicht viel Zeit füreinander haben.«
Sie nahmen den Weg zurück zum Fuß des Berges, vorbei am Gedränge der auf Boote Wartenden. »Am meisten bedaure ich, dass wir noch immer nicht heiraten können.«
»Es sind nur die Worte, die fehlen. In der Nacht, als ich zu dir kam, dort oben auf dem Mintahoq, um dich zu befreien, da wurden wir Mann und Frau. Selbst wenn wir einander nie wiedergesehen hätten.«
Binabik zog die Schultern hoch. »Ich weiß. Aber du solltest auch die Worte haben. Du bist die Tochter der Jägerin .«
»Wir haben getrennte Zelte«, lächelte Sisqi. »Alles wird bedacht, was die Ehre erfordert.«
»Es macht mir auch nichts aus, mein Zelt mit dem jungen Simon zu teilen«, gab er zurück. »Aber lieber teilte ich es mit dir.«
»Die Zeit wird kommen.« Sie drückte seine Hand. »Was aber wirst du tun, wenn das alles vorbei ist, Liebster?«
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