Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
kann, es nicht kennt wie sich selbst, nicht jedes kleine Stück seines Geschirrs tausendmal gesäubert und ausgebessert hat – der wird weder sich selbst noch Gott von großem Nutzen sein.«
»Ich versuche es, Herr Camaris. Aber es gibt noch viel zu lernen.«
»Wir leben in Kriegszeiten«, fuhr Camaris fort. »Darum ist es durchaus gestattet, ein paar weniger lebenswichtige Künste zu vernachlässigen – die Jagd und die Falknerei beispielsweise.« Allerdings sah er nicht so aus, als ob ihm bei diesem Gedanken wirklich wohl wäre. »Man könnte sich sogar vorstellen, dass die Regeln der Rangordnung nicht so wichtig sind wie im Frieden, zumindest soweit sie sich nicht die militärische Disziplin betreffen. Obwohl es sich leichter kämpft, wenn man seinen Platz in Gottes weisem Plan kennt. Kein Wunder, dass Eure Schlacht mit den Männern des Königs die reinste Wirtshausschlägerei gewesen sein muss.« Der Ausdruck strenger Konzentration in seinen Augen wurde plötzlich milder und sein Blick sanft. »Aber ich langweile Euch, nicht wahr?« Seine Lippen zuckten. »Ich bin wie ein Mensch, der vierzig Jahre geschlafen hat, aber trotzdem gealtert ist. Es ist nicht mehr meine Welt.«
»O nein«, sagte Simon aufrichtig, »Ihr langweilt mich nicht, Herr Camaris. Ganz und gar nicht.« Er sah zu Jeremias hinüber, damit dieser ihn unterstützte, aber sein Freund glotzte Camaris nur an und schwieg. »Bitte, sagt mir alles, das mir hilft, ein besserer Ritter zu werden.«
»Ist das ein Versuch, freundlich zu mir zu sein?«, fragte der gewaltigste Ritter der Ädonheit in kühlem Ton.
»Nein, Herr.« Simon musste wider Willen lachen und bekam plötzlich Angst, er würde in haltloses Kichern ausbrechen. »Nein, Herr. Nehmt es mir nicht übel, aber dass Ihr mich fragt, ob Ihr mich langweilt …« Er fand keine Worte, um die erhabene Torheit einer solchen Vorstellung zu beschreiben. »Ihr seid ein Held, Herr Camaris«, meinte er endlich schlicht. »Ein Held.«
Der alte Mann erhob sich mit der gleichen überraschenden Gelenkigkeit, mit der er sich hingesetzt hatte. Simon hatte Angst, ihn vielleicht doch gekränkt zu haben.
»Steht auf, Junge.«
Simon gehorchte.
»Du auch … Jeremias.« Er winkte, und auch Simons Freund stand auf. Camaris musterte sie kritisch. »Bitte leiht mir Euer Schwert.« Er deutete auf das Holzschwert, das Simon immer noch fest umschlossen hielt.
»Ich habe Dorn in meinem Zelt gelassen – in ihrer Scheide. Offengestanden fühle ich mich in ihrer Nähe immer noch nicht recht wohl. Es ist etwas Rastloses an ihr, das mir missfällt. Vielleicht liegt es auch an mir.«
»An ihr?«, fragte Simon verblüfft.
Der alte Ritter winkte ab. »So reden wir auf Vinitta. Schiffe und Schwerter sind ›sie‹, Stürme und Berge ›er‹. Hört mir jetzt gut zu.« Er nahm das Übungsschwert und zog damit einen Kreis in das nasse Gras. »Die Regeln der Ritterschaft sagen: So wie wir nach dem Bild unseres Herrn erschaffen sind, so ist die Welt«, er malte einen kleineren Kreis in den ersten, »ein Abbild des Himmels. Nur leider ohne dessen Gnade.« Er musterte den Kreis so bedenklich, als sehe er ihn bereits von Sündern wimmeln.
»Und wie die Engel die Diener und Boten Gottes, des Allerhöchsten, sind«, fuhr er fort, »dient die Bruderschaft des Rittertums den irdischen Herrschern. Die Engel führen Gottes gute Werke aus, die vollkommen sind. Die Erde jedoch ist unvollkommen, und so sind auch unsere Herrscher, selbst die besten von ihnen. Darum streiten sie sich darüber, was nun wirklich Gottes Wille sei. Und darum führen sie Kriege.« Er teilte den inneren Kreis mit einem Strich in zwei Hälften. »Durch diese Prüfung erweist sich die Gerechtigkeit unserer Herrscher. Es ist der Krieg, der die scharfe Schneide des göttlichen Willens am deutlichsten zeigt. Er ist die Angel, um die die Reiche der Erde sich drehen, zu Aufstieg oder Fall. Würde allein die Stärke über den Sieg entscheiden, eine durch Ehre oder Barmherzigkeit nicht gemilderte Stärke, so wäre ein solcher Sieg kein wirklicher Sieg, weil sich Gottes Wille nie allein in der überlegenen Stärke zeigt. Liebt Gott etwa die Katze mehr als die Maus?« Camaris schüttelte ernst den Kopf und richtete die scharfen Augen auf seine Zuhörer. »Hört Ihr mir zu?«
»Ja«, antwortete Simon rasch. Jeremias nickte nur, noch immer stumm und verschüchtert.
»Gut. Alle Engel außer dem einen, der floh, gehorchen allein Gott, denn er ist vollkommen, allwissend und
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