Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Obwohl er noch verhältnismäßig jugendlich wirkte, hatte Freosel den wachsamen, schwerlidrigen Blick des erfahrenen Straßenkämpfers. Sein Körper war mit Narben übersät, zwei Finger fehlten.
Nachdem Strangyeard einen kurzen Segen gesprochen hatte und der neue Hauptmann ermahnt worden war, alles, was er hören würde, für sich zu behalten, erhob sich Prinz Josua.
»Wir müssen über viele Dinge entscheiden«, erklärte er, »aber bevor wir damit beginnen, erlaubt mir, von Glück und hoffnungsvolleren Tagen zu Euch zu sprechen.
In einer Stunde, in der nur die Verzweiflung und der Tod auf uns warteten, erwies Gott uns seine Gnade. Heute befinden wir uns an einem sicheren Ort, während wir noch vor einem Jahr als Ausgestoßene des Krieges über die ganze Welt verstreut waren. Wir wagten die Suche nach einem der Großen Schwerter und wir hatten Erfolg. Jeden Tag strömen mehr Menschen zu unseren Fahnen, und wenn wir nur lange genug ausharren können, werden wir bald über ein Heer verfügen, mit dem selbst mein Brüder, der Hochkönig, rechnen muss.
Freilich, noch immer ist unsere Not groß. Zwar können wir aus den Männern, die überall in Erkynland aus ihrer Heimat vertrieben wurden, ein Heer aufstellen. Aber für einen Sieg über den Hochkönig brauchen wir ein Vielfaches an Kämpfern. Fest steht auch, dass es uns schon jetzt schwerfällt, alle hier Lebenden zu ernähren und ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Und es ist sogar möglich, dass überhaupt kein Heer, so groß und gut gerüstet es auch sein mag, mächtig genug ist, um Elias’ Verbündeten, den Sturmkönig, zu überwinden.«
Er hielt inne und fuhr dann fort: »Darum gibt es meiner Meinung nach drei wichtige Fragen, die wir heute beantworten müssen: Was plant mein Bruder? Wie können wir eine Streitmacht aufstellen, die ihn daran hindert? Und wie können wir die beiden anderen Schwerter, Hellnagel und Leid , in unsere Gewalt bringen, damit wir wenigstens hoffen dürfen, die Nornen, ihren dunklen Herrn und ihre Königin zu besiegen?«
Geloë hob die Hand. »Verzeiht, Josua, aber ich meine, da ist noch eine andere Frage: Wie viel Zeit haben wir für alle diese Dinge?«
»Ihr habt recht, Valada Geloë. Wenn es uns gelingt, diesen Ort hier noch ein Jahr zu halten, sind wir vielleicht in der Lage, ein Heer zu sammeln, das stark genug ist, auf seinem eigenen Grund undBoden gegen Elias zu kämpfen oder ihm zumindest seine Grenzen streitig zu machen – aber wie Ihr glaube auch ich nicht, dass man uns so lange gewähren lassen wird.«
Nun wurden auch andere Stimmen laut und fragten, welche Verbündeten man im Osten und Norden von Erkynland finden würde, in Gebieten, die unter König Elias’ schwerer Hand ächzten. Nach einer Weile rief Josua den Saal wieder zur Ruhe.
»Bevor wir diese Rätsel lösen können«, begann er, »meine ich, dass wir zuerst die wichtigste dieser Fragen klären müssen, nämlich: Was will mein Bruder?«
»Macht!«, rief Isorn. »Die Macht, mit dem Leben von Menschen zu spielen wie mit Würfeln.«
»Diese Macht hatte er schon«, erwiderte Josua. »Aber auch ich habe lange darüber nachgedacht und finde keine andere Antwort. Gewiss hat es auf der Welt andere Könige gegeben, die nicht mit dem, was sie besaßen, zufrieden waren. Vielleicht bleibt die Antwort auf diese alles entscheidende Frage bis zum letzten Augenblick vor uns verborgen. Wüssten wir, wie Elias’ Handel mit dem Sturmkönig aussieht, würden wir vielleicht die geheime Absicht meines Bruders verstehen.«
»Prinz Josua«, warf Binabik ein, »ich meinerseits habe mir das Haupt über etwas anderes zerbrochen. Was immer Euer Bruder sich wünschen mag, des Sturmkönigs Macht und dunkler Zauber werden ihm dazu verhelfen. Was aber wünscht der Sturmkönig als Gegengabe?«
In der großen steinernen Halle wurde es für einen Augenblick totenstill. Dann erhoben die Versammelten von neuem ihre Stimmen. Sie stritten so heftig, dass Josua endlich mit dem Fuß aufstampfen musste, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Ihr stellt eine furchtbare Frage, Binabik«, sagte der Prinz. »Aber Ihr habt recht – was kann der Dunkle wollen?«
Simon dachte an die Schatten unter dem Hochhorst, dort in den Gängen, wo er in einem entsetzlichen, von Gespenstern gehetzten Traum umhergestolpert war.
»Vielleicht will er seine Burg wiederhaben«, meinte er.
Er hatte leise gesprochen und andere im Saal, die ihn nicht gehörthatten, fuhren, wenn auch gedämpft, in ihren
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