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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Gedanke durchzuckte mich, daß es selbst für unsere Mägen zu viel wäre, ein zu gewaltiger und turbulenter Strudel, wenn dieser ungeheure schwarze Stutzer sich am Ende als Baptistenprediger erweisen würde und in der Verkleidung extravaganter Kultiviertheit gekommen wäre, um uns fundamentalistische Traktate zu verkaufen! Das wäre ein Witz auf unsere Kosten gewesen, und ich bezweifle, daß auch nur einer von uns die Größe besessen hätte, darüber zu lachen. Einen Augenblick lang spürte ich unser Entsetzen bei dem Gedanken, daß in dieser so merkwürdigen Verkleidung ein trojanisches Pferd gekommen sein könnte, um in unser Troja einzudringen, und daß ein Meistertaktiker hier den Gegenangriff des >erretteten< Schwarzen gegen den >dekadenten< Weißen führen könnte – eine derart exquisite Rache, die uns so teuer zu stehen gekommen wäre, daß wir die Rechnung kaum hätten zahlen können: jeder von uns hätte vor dem anderen für alle Zeiten das Gesicht verloren.
    Doch seine nächsten Worte ließen diese entsetzliche Ahnung wieder verfliegen, obwohl uns noch immer unwohl zumute war.
    >Ich wurde also, meine Herren, ein Gläubiger, ein Anhänger des einzigen wahren Glaubens – ich spreche vom Islam – Allah Akbar, Bismillah. Jawohl, ganz Afrika beugt sich, wie reifes Korn, wenn der Wind darüberstreicht, es beugt sich dem Worte, das da spricht von der Kaaba, dem Wind, der aus dem gesegneten Arabien herüberweht. Ganz Afrika, Pan-Afrika, wird sich unter der grünen Flagge und dem Halbmond erheben.<
    Ein Pan-Islam-Vortrag würde langweilig werden. Doch vermerkten wir mit Erleichterung, daß uns ein schlimmeres Schicksal erspart geblieben war, die Frage, ob wir selbst errettet seien. Das wäre – altmodisch gesagt – nun doch zu peinlich gewesen. So fügten wir uns also in unser Schicksal, während unser Gast dahinsprudelte, als sei er der Kongo höchstpersönlich:
    >Ich bin, so darf ich wohl hoffen, ein loyaler Diener. Bei meiner Initiation, der Beschneidung (keine lasche Taufe mit Wasser, das kann ich Ihnen versichern, meine Herren, wenn sie, wie das Ritual es vorschreibt, mit echtem Feuerstein vollzogen wird statt mit unorthodoxem Stahl – oh ja, wir Konvertiten zahlen einen hohen Preis dafür, daß wir zum wahren Glauben finden), nahm ich, wie Sie schon bei meiner Vorstellung bemerkt haben werden, als mittleren Namen den Namen dessen an, der, weil er mit dem Glauben nach Norden fegte und das erste Land der Ungläubigen niedermähte (ich spreche von der glorreichen Eroberung des Iran), vom Propheten selbst »Kaled, das Schwert Allahs« genannt wurde. Und da ich also dem Glauben diene, darf ich mir Hoffnungen auf Houris und das Paradies machen. Lassen Sie es sich gesagt sein: Ich bin kein halbherziger Konvertit, der sich damit zufrieden gibt, selbst errettet zu sein. Ich verbreite das Wort.<
    Dann blickte er zum ersten Mal in die Runde, mit einer plötzlichen, listigen Bewegung jener großen Elfenbeinaugen in ihrer Maske aus Ebenholz.
    >Der Islam wendet sich Afrika zu, weil Afrika ihn versteht. So wie er sich meiner eigenen Seele zuwandte. Unablässig bedrängt uns der weiße Mann, wie man ihn nennt, unter dem Deckmantel der Humanität versucht er, die afrikanische Einheit aufzubrechen, und deshalb müssen wir in aller Stille vorgehen. Wir haben das, was man wohl eine Front nennen könnte. Mit anderen Worten, mein eigenes Geschäft hat zwei Seiten, eine ökonomische und eine religiöse. Um den Steuerbehörden die Belege zu liefern, die sie brauchen und die ich als Rechtfertigung für meinen Lebensstandard vorlegen muß<, wobei er selbstgefällig seine Kleider betrachtete, >habe ich mein Geschäft – gewaltige Kakaoplantagen. Aus unerfindlichen Gründen übt dieses reichlich stopfende Getränk, das aus der Sklavenarbeit der Schwarzen gewonnen wird, einen besonderen Reiz auf das Gewissen von Quäkern und Nonkonformisten aus. Und die wehenden Palmwedel bieten mir Deckung für jene anderen Bestrebungen, bei denen der Glauben eine so große Rolle spielte.<
    Dann plötzlich, als ob er nun genug geplaudert hätte – ich glaube, das war der Augenblick, in dem er beschloß, daß er mit uns ins Geschäft kommen wollte –, veränderte sich sein Ton, und er sprach schnell, sachlich und mit entwaffnender Offenheit. Er lächelte sein gewaltiges Lächeln, wie ein menschenfressender Riese, und summte dazu: >Will denn so ein Mohrenkindlein wirklich in die Schule?<
    >Das, meine Herren, bringt es auf den Begriff. Wir

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