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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Sie weiter.«
    »Jedenfalls«, fuhr Mr. Milium fort, »ließ mir die Sache keine Ruhe. Ich weiß nicht, wie es kam, doch ich stieß immer wieder auf Hinweise – in Flugschriften der Linken, in Zeitungsartikeln, die mir persönlich auffielen, oder in den raffinierten, schockierenden Fotografien der Illustrierten, wo stets das abscheulichste Bild so groß gedruckt wird, daß nicht einmal ein Rand freibleibt – Hinweise auf die häßlichste Seite des Sklavenhandels, wenn denn diese abscheuliche Sache überhaupt irgendwo eine präsentable Seite hat. Ich hielt all diese merkwürdigen Mahnungen – wessen sie mich ermahnten, daran mochte ich nicht denken – für nichts als einen kuriosen Zufall. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
    Mr. M. nickte nachdenklich. Mr. Milium holte seine Zigaretten hervor, früher nannten wir sie – und das nicht zu Unrecht – >Lungentorpedos<, und steckte sich bedächtig eine davon an, nachdem er uns angeboten hatte. Ich lehnte ab. Mr. M. nahm wieder eine und legte sie auf dem steinernen Tisch ab, neben derjenigen, die dort bereits zur Schau gestellt war.
    »Und dann«, nahm Mr. Milium den Faden wieder auf, »wies mir das – was immer es war –, was mir unermüdlich diese Bilder gezeigt und diese Zeitungsartikel unter die Nase gehalten hatte, einen Ausweg.
    Ich hatte einen Onkel, und er war stets ein hart arbeitender Geschäftsmann gewesen. Ich wußte, daß er mich verachtete – er hatte meinen Vater nicht ausstehen können – und daß er niemals einem solchen Neffen sein Vermögen vermachen würde, keinen Penny davon. Doch er starb unerwartet an einem Herzanfall, und, was soll ich Ihnen sagen, er hatte kein Testament gemacht. Seine Frau war tot; sie hatten keine Kinder. Und so ging der gesamte Besitz, mehr als ich je gedacht hatte – so viel, daß es in den Zeitungen erwähnt wurde –, an mich, als den nächsten Verwandten. Sankey beglückwünschte mich und meinte dann, daß ich nun, wenn ich die ganze Summe in den Kongo investierte, tatsächlich in drei oder vier Jahren Millionär sein würde. Das führte zu unserem ersten Streit. Ich erklärte ihm, daß ich nicht vorhätte, das Vermögen dort, wo es derzeit angelegt sei, abzuziehen.
    >Das Gewissen macht Feiglinge aus uns allen!< höhnte er. Vielleicht, fügte er dann mit plötzlich verändertem Tonfall hinzu, sei es auch ein zu gefährliches Spiel für jemanden, der auf >salonfähigere< Sicherheiten zählen könne – und da fünf Gran Arsen von genauso tödlicher Wirkung seien wie fünfhundert, verstehe er meine Einstellung. Besser ganz davon loskommen, wenn man könne. Doch er könne es nicht, und so wolle er lieber für einen Mann hängen, wenn auch nur für einen schwarzen Mann, als für ein Schaf, wenn auch nur ein schwarzes Schaf. Seine Scherze waren wirr, doch die Geldgier unmißverständlich. Doch ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte, und so mußte er seinen Vorschlag denn an das Licht klarer Worte bringen. Er fügte noch hinzu, und das war nur zu wahr, daß man sich schwerlich eine Geldanlage denken könne, die schwieriger zu handeln wäre. Ich sagte ihm klar, daß ich nicht an ihn verkaufen könne.
    >Gibt es jemand, der mehr bietet?< Seine Stimme war schrill vor Erregung.
    >Ich verkaufe an niemandem, war meine einzige Antwort.
    >Ich hoffe nur<, sagte er, >daß einer deiner selbstgefälligen Aufsichtsratsmitglieder (die von den weißen Lohnsklaven fett werden) deiner schwarzen Konterbande auf die Spur kommt und dich eines Besseren belehrt. Ich hätte mir denken können, daß du nun in die Hände ehrenhafter Aufseher gelangst, ein Müßiggänger, ein auf Bewährung entlassener Sträfling. Am Montag darfst du dir deine Lohntüte abholen, aber nur, wenn du am Sonntag brav zur Kirche gegangen bist!<
    Als ich ihn so da stehen sah, sein selbst in ausgeglichenem Zustand nicht gerade freundliches Gesicht verzerrt von Verachtung und enttäuschter Geldgier, erkannte ich mit einem Male, daß er eine Art Spiegelbild war; daß es das war, was aus uns werden würde, aus all unserem weltverachtenden Snobismus. Im selben Augenblick begriff ich, daß ich mit all dem fertig war – zumindest mit dem schmutzigen Sklavenhandel, meine ich. Mir wurde beinahe körperlich übel, wenn ich an das ganze abscheuliche Geschäft auch nur dachte. Ich schüttelte ihn ab – wir würden uns ohnehin ein paar Tage später bei der nächsten Clubsitzung wiedersehen. Ich war nun fest entschlossen, allem ein Ende zu machen. Letzten Endes waren

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