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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Wagen diese verläßt, in die Richtung zusammen, in die der Wagen durch die Fliehkraft gedrängt wird. Und ich wußte, genau diesen Effekt mußte ich auch hier finden. Ein Miniaturabbild desselben verzerrten Abdrucks hätte ich auf dem Griff dieses Messers sehen müssen.«
    Mr. M. legte sein Reliquienbündel wieder auf den Tisch – von wo das Teegeschirr es eine Zeitlang vertrieben hatte –, breitete es von neuem aus und ergriff das Papiermesser.
    »Diese Verzerrung in den Windungen des Fingerkuppenabdrucks müßte offensichtlich sein, wenn Sankey es… das letzte Mal, daß er es benutzte, mit einer solchen Wirkung benutzte. Ich will Ihnen noch ein anderes Bild geben, um ganz klar zu machen, was ich meine – wenn das Messer nur zum Papierschneiden verwendet worden wäre und zu keinem anderen Zweck, niemals als Dolch, dann würden die Fingerabdrücke erscheinen wie eine Folge von Wellen auf einem stillen Teich. Doch wäre das Papiermesser jemals statt zwischen die Seiten eines Buches zwischen die Rippen eines Menschen gestochen worden, und dies von menschlicher Hand, dann sähen die Wellen aus, als fege der Wind darüber und als würden sie von dem Punkt und in die Richtung fortschwappen, an dem die Spitze des Dolches die Wasseroberfläche traf. Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt!«
    Milium wandte sich ab und zog heftig an seiner Zigarette.
    »Das genügte, um meine Neugier zu wecken, und ich wollte mehr wissen. Und als ich mir dann den kleinen Griff hier, das Heft, näher besah, fiel mir noch etwas auf. Dieser Griff besteht aus zwei Metallen, ein Mittel, das Silberschmiede oft anwenden, um ihr Werk abwechslungsreicher zu gestalten. Und es war keine Frage, daß es sich um ein echtes Stück handelte, ein kleines Spielzeug aus der Renaissance, eine extravagante Haarnadel aus jener extravaganten Zeit, aus Silber gefertigt, in einer Epoche, in der es unter den Silberschmieden Künstler gab, die an Fertigkeit einem Cellini nicht nachstanden. Dem Heft aus inzwischen fast schwarz gewordenem Silber – wir wissen ja, daß der verstorbene Herr dieses Hauses, wenn schon vor nichts anderem, so doch vor Patina Respekt hatte – sind, wie Sie sehen, auf der Oberseite drei kleine längslaufende Rillen oder Riefen hinzugefügt worden, die ohne Zweifel den Reiz noch erhöhen. Doch das Merkwürdige war, daß, als ich dies andere stumpfe Metall untersuchte, das, wie Sie sehen, nicht schwarz, sondern dunkelgrau ist, ein wenig Feilen mir enthüllte, daß es Aluminium war – ein Material, das Cellini und seinesgleichen vielleicht durchaus geschätzt hätten, das jedoch Menschenaug’ erst erblickte, als er und seine Zeitgenossen schon an die vierhundert Jahre unter der Erde lagen.
    Doch all das bewies noch nichts. Allerdings war ich nun noch weniger geneigt, Mr. Sark ohne weiteres meinen Segen zu geben.
    Ich wußte an dieser Stelle noch nicht mehr, als daß es einige Fragen gab, die ich unserem Inspektor stellen konnte, Fragen, die ihm zu denken geben und ihn zweifellos zu einer ordentlichen Auseinandersetzung aufstacheln würden, wie wir Spürhunde sie lieben. So fuhr ich denn fort, dies Stück zu studieren, bis es Mr. Silchester – der eher intuitiv vorgeht – schon beinahe ärgerte. Denn ich mußte mein schweres Geschütz auffahren, mein großes Mikroskop, das ihm stets, und ich darf wohl sagen, daß der Romancier es zwangsläufig so sehen wird, eher als Theaterrequisite vorkommt denn als ein notwendiges Instrument der Detektivarbeit. Doch es lohnte sich. Denn als ich mich das Heft hinauf vorarbeitete, entdeckte ich, als ich am oberen Ende ankam, zwar vielleicht nicht direkt ein weiteres Indiz, aber doch wiederum etwas, was das offizielle Urteil in Frage stellte.
    Denn sehen Sie, das Oberende dieser zum Papiermesser zweckentfremdeten Haarnadel ist als flaches Kapitell ausgebildet – in der Renaissance stets der konventionelle Abschluß einer solchen säulenartigen kleinen Komposition. Ich musterte es, um zu sehen, ob ich vielleicht die halb verwischten Spuren eines Daumenabdrucks fand, der dort zu erwarten war, wenn jemand sich das Messer in die eigene Brust gestochen hatte. Es war keiner da. Doch war es denkbar, daß solche Spuren an einer so exponierten Stelle abgewischt worden waren oder niemals einen eindeutigen Abdruck hinterlassen hatten. Außerdem mußte ich zugeben, daß es möglich war, daß der Stich geführt wurde, ohne daß der Daumen in dieser Stellung war. Doch die Mühe, mit der ich vergebens

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