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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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geschlüpft. Doch man kann eine Ahnung haben und >Haltet den Mörder!< rufen, besonders wenn es ein Landstreicher ist, jemand, der nicht arbeitet, wenn alle anderen es tun. Ja, Janes Motiv ist nur zu klar, obwohl…«, an dieser Stelle legte Mr. M. eine Kunstpause ein und der jüngere Mr. M. rutschte unruhig hin- und her, »obwohl ich mir sicher bin, hätte sie damals begriffen, was geschah, so hätte sie Selbstmord als Erklärung vorgezogen.
    Und doch, um zu den Fakten zurückzukehren, war Jane für meine Begriffe jemand, auf den man sich verlassen konnte. Ich hatte gesehen, daß sie eine ausgezeichnete Berichterstatterin war, und auch wenn sie (die sie ja nicht sorgfältig die Impressionisten studiert hatte, und niemand stellt so sehr die Frage danach, was wir wirklich sehen, wie diese) auf den Trick oder das Spiel des Lichts an dieser Tür hereingefallen war, sah sie ja doch nicht nur – sie hörte auch.
    Nun weiß ich aber, daß das Ohr einem noch eher einen Streich spielen kann als das Auge. Ist schon das, was man sieht, eine unsichere Grundlage, um darauf eine Überzeugung aufzubauen, so gilt das erst recht für das, was man hört. Man weiß ja, daß nicht einmal ein Gericht dem Hörensagen Glauben schenkt! Doch hier kommen wir zu dem echten Problem aller Sinnes Wahrnehmung, das Mr. Silchester vor einiger Zeit zur Sprache brachte und zu dem wir nun mit Gewinn zurückkehren können. Unser großer ionischer Vater der Detektivkunst und der Analyse, Heraklit, sagte: >Die Sinne sind schlechte Zeugen.< Er machte keinen Unterschied zwischen ihnen. Ich glaube, alles in allem hatte er recht. Doch wenn ich mir erlauben darf, so herablassend zu einem der Ur-Denker der Menschheit zu sein, so würde ich es noch ein wenig präzisieren. Gewiß würde ich zustimmen, daß die Sinne oft reichlich unzuverlässige Führer auf jenem ungeheuren Entdeckerzug sind, zu dem Heraklit und die ersten griechischen Naturwissenschaftler sich auf den Weg machen. Sie suchten nach den Abdrücken einer Hand, die ebenso allgegenwärtig ist wie unsichtbar. Doch bei den trivialeren Dingen von Lüge, Mord, Diebstahl – kurz, dem, was an der Oberfläche des Lebens geschieht – sind es weniger unsere Augen- und Ohrenzeugen, unsere gewieften Berichterstatter, denen die Fehler unterlaufen, sondern sie unterlaufen uns selbst, die wir sie verhören. Im Vergleich zu deren Fehlern sind die unseren ungeheuerlich.«
    Mr. M. hielt inne und lachte. »Verzeihen Sie, aber die Antike spornt mich immer wieder an. Sie werden mich mit jenem klassischen französischen Anwalt vergleichen, der niemals ein Plädoyer vor Gericht halten konnte, ohne daß er mit seinen Ausführungen bis vor den Sündenfall zurückging und am Ende dann das Zugeständnis machte, die Sintflut als Ausgangsdatum zu nehmen. Doch Sie, Mr. Silchester, haben den Punkt aufgebracht, und letzten Endes – man kann Ihrer unanalytischen Intuition nur gratulieren – dreht sich der ganze Fall darum. Wenn Ihnen das an dieser Stelle als eine zu gewagte Behauptung meinerseits erscheint, kann ich Ihnen doch zumindest verraten, daß das der Punkt war, an dem meine tastenden Versuche dem wichen, was unter Jägern, glaube ich, eine brusthohe Fährte genannt wird.
    Lassen Sie mich deshalb noch eines zum Thema Sinneswahrnehmung sagen, dann kehren wir unverzüglich zu unserer Geschichte zurück. Ich denke mir, daß in neun von zehn Fällen, wenn wir etwas spüren, etwas erfahren, uns unsere Sinneswahrnehmungen einen durchaus soliden Bericht darüber liefern. Das Problem daran ist, daß wir so gehetzt und so unaufmerksam sind, daß wir nicht zwischen dem, was sie uns tatsächlich mitteilen, und der Deutung, die wir dem geben wollen, unterscheiden. Der schlimmste Richter vor Gericht, der gelangweilt vor sich hin döst, geht mit Beweismaterialien kaum so verantwortungslos um wie wir mit Daten, die uns unsere einzigen Informanten, unsere Sinne, zu Dingen liefern, die über Leben und Tod entscheiden können. Denn nur sie können uns Aufschluß über das geben, was wir die Welt, in der wir leben, nennen und durch die wir blind hindurchstolpern.
    Das A und O eines guten Kreuzverhörs ist, jeweils nur eine Frage zu haben und sich nur einen Zeugen vorzunehmen. So war mir denn, sobald ich mit Jane gesprochen hatte, klar, daß sie eine gute Berichterstatterin war – lebhaft, lebendig, aufmerksam, interessiert. Sie sagen, sie ist auf die Tür hereingefallen, die sich scheinbar bewegte, und ich habe das eingestanden. Aber

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