Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
Vom Netzwerk:
vertreiben – der letzte Winkel der Welt, an dem ich erwartet hätte, auf sie zu stoßen –, ein Satz, ein sehr wohlformulierter Satz entgegensprang.«
    »Wie die Quäker sagen: >Er sprach Ihnen aus der Seele?<« schlug Mr. M. vor.
    »Ich weiß nicht recht, ob Sie es auch so formulieren würden, wenn Sie wüßten, was für ein Satz es war«, entgegnete Milium.
    »Ich halte es durchaus für möglich«, antwortete Mr. M. ohne einen Anflug von Zweifel.
    Doch das war für ihn ein so alltäglicher Zustand, daß ich mich in meiner bescheidenen Ignoranz, die nach Erleuchtung dürstete, aufraffte, seine übliche Antwort in Kauf nahm, und sagte: »Bitte fahren Sie fort!«
    »Was ich dort sah, schien die Sache nicht nur einfach zu machen, sondern befreite mich sogar von meinen letzten Skrupeln. Jedenfalls fühlte ich mich danach regelrecht gezwungen, zumindest einen Versuch zu wagen. Der Würfel mußte fallen, und ich, wenn ich so sagen darf, mußte ihn werfen. Ob es mir nun gelang oder nicht, mir schien mittlerweile, daß ich nur noch ein Werkzeug war, ein chirurgisches Instrument, ein Skalpell, das für eine Operation gebraucht wurde…«
    Er stockte, hob erneut an zu reden, überlegte es sich dann anders, sagte nur noch kurz: »Tja, das wäre meine Geschichte« und schwieg dann.
    »Eine sehr unvollständige, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen«, hob ich an.
    Mr. M. winkte ab. »Nein«, meinte er, »nein, ich sehe nur zwei Lücken, und beide sind klein: die Tatsache, von der Jane uns berichtete, daß Sie in einem Ihrer freundlichen Versuche, dem beinahe wahnsinnigen Sankey Zerstreuung zu verschaffen, ihm jene bezaubernde Sammlung klassischer Literatur liehen, die – um die mise en scène zu nennen – mit jener außerordentlichen Sammlung von Kriminalgeschichten über eine Familie eröffnet, aus der sechs Mitglieder die Welt beherrschten, fünf den Verstand verloren und vier ermordet wurden. Die zweite und vielleicht wichtigere Lücke betrifft den zweiten Besuch, den Sie dem Dach Ihres Hauses abstatteten.«
    Milium nickte und fügte noch hinzu: »Aber waren die beiden wirklich die Erwähnung wert? Ihnen kam es ja auf das Motiv an; über die Tat selbst wußten Sie, aus Gründen, die Sie selbst am besten kennen, bereits Bescheid. Schließlich habe ich aufgegeben, als ich Ihre Sammlung dort sah, nicht wahr? Und ich glaube, Sie werden, gerade im Lichte dessen, was ich Ihnen erzählt habe, zugeben, daß ich nur zu gern bereit war, mich dem ersten zu ergeben, der alles aufdeckte, und um so lieber«, sagte er und hielt inne, »jemandem, der alles so aufdeckte, wie Sie es taten.«
    Nun war Mr. M. an der Reihe, zu Boden zu blicken.
    Dann, nach einer beträchtlichen Zeit des Schweigens, während derer meine Geduld nicht eben zunahm (doch keiner von beiden schien sich um mich zu kümmern oder auch nur an mich zu denken), sagte Mr. M. schließlich: »Nun zu unserer dritten Frage, jenem dritten Akt, zu dem die beiden hinführenden Akte so leicht zu schreiben und der selbst doch so schwer zu verfassen ist.«
    Doch da schaltete Mr. Milium sich ein, und wie ich zu meiner Freude feststellte, war er auf meiner Seite. Ich tappte im Dunkeln, und ganz gleich ob das, was Mr. M. für eine Aufklärung hielt, so interessant war, wie er selbst meinte, mußte ich doch, um mir ein Urteil bilden zu können, eine gewisse Vorstellung davon haben, was tatsächlich vorgefallen war; und davon hatte ich noch immer nur eine äußerst vage Ahnung. Nun festzustellen, daß Mr. Milium, mit dem ich die Geduld verloren hatte – er schien so bedingungslos jeder Andeutung Mr. M.s zuzustimmen, als ob alles klar auf der Hand läge – festzustellen, daß er auf meiner Seite stand und selbst verwirrt war, ließ mich die Sympathie für ihn empfinden, die man für einen Leidensgenossen hat, ob er nun der Mörder eines Mannes war, der ohne Zweifel ein durch und durch unsympathischer Mensch gewesen war, oder nicht.
    Als Milium also sagte: »Könnten wir noch einmal einen Schritt zurückgehen?«, stimmte ich von ganzem Herzen mit einem »Hört, hört!« ein.
    »Ich habe meine Karten auf den Tisch gelegt«, fuhr er fort, »und ich will nicht im geringsten leugnen, daß es ein reichlich düsteres Blatt ist. Und ich sage noch einmal, ich bin bereit, den Preis zu zahlen, und wenn es der Galgen wäre. Das Motiv habe ich Ihnen genannt. Nun ist es an Ihnen zu urteilen, ob ich die Wahrheit gesagt habe und, wenn ja, ob das Leben auf Erden sicherer wäre, wenn Sankey noch

Weitere Kostenlose Bücher