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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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unter uns weilte oder ich am Galgen baumelte. Und es ist mir wirklich gleich, ob Sie mir nun im wahrsten Sinne des Wortes einen Strick daraus drehen. Für mich ist es keine Frage, daß er zu einer Art menschlichem Krebsgeschwür geworden war, aber ich habe auch eingesehen, daß es falsch war, es herauszuschneiden. Und deshalb bin ich mit meinem Latein am Ende. Doch bevor ich gehe, wäre ich dankbar, wenn Sie mir noch, nur um jenen äußeren Bereichen des Verstandes ihren Frieden zu geben, damit sich meine Gedanken wieder der eigentlichen Frage zuwenden können, welche natürlich die Frage nach dem Motiv ist, danach, ob der Zweck die Mittel heiligt, Aufschluß über die Schritte geben könnten, die Sie dazu brachten«, und damit wies er auf den Tisch, »ein so beredtes Sträußlein zu sammeln, daß ich im selben Augenblick, in dem ich es erblickte, begriff, daß mein Spiel verloren war. Ich habe Ihnen das Motiv erläutert, das >Warum<; lassen Sie mich nun wissen, wie Sie hinter das >Wie< gekommen sind.«

Kapitel IV
     
    Mr. Mycrofts »Wie?«
     
     
    Mr. Mycroft erhob sich und streckte sich. Er schien wunderbar entspannt; ja, wenn man sich so etwas jemals bei ihm hätte vorstellen können, würde ich sagen, er war beinahe übermütig. Er schien gern bereit, unseren Wünschen nachzukommen – vielleicht war er geschmeichelt, daß wir seine Erläuterungen hören wollten. Der Gedanke kam mir auch, daß womöglich auch er die tieferen Schichten seines Gehirns auf jene Weise nutzen wollte, von der er und Milium vorhin gesprochen hatten, während er für uns die verschiedenen Schritte seiner Ermittlungen noch einmal Revue passieren ließ. Er brachte es jedoch nicht über sich, auf die traditionellen Klischees zur Eröffnung zu verzichten, das Geplauder, mit dem all die alten Hasen unter den Zauberkünstlern ihre Vorstellung beginnen.
    »Im Grunde alles ganz einfach. >Gar nicht zu übersehen<, werden Sie sagen, wenn ich die Karten aufgedeckt habe. Jawohl, es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen beiden meine Schlußfolgerungen der Reihe nach darzulegen. Denn in den ersten beiden Akten steckt immer schon das Geheimnis des dritten verborgen, andernfalls gibt es gar kein Geheimnis. Wir brauchen nichts weiter zu tun als zu begreifen, was man uns vorgesetzt hat. Und da können Sie mir ebenso helfen, wie ich Ihnen von Nutzen sein kann.
    Doch zunächst wieder einmal Erfrischung. Wir haben Ihr >Warum< in zwei Portionen genommen, mit dem Mittagessen dazwischen. Erlauben Sie mir nun, wie man zu sagen pflegt, die Kehle zu ölen, bevor ich Ihnen das >Wie< als mein Obbligato liefere.«
    Er wandte sich an mich. »Mr. Silchester, ich als Amateurdetektiv will eine olfaktorische Deduktion wagen. Ich bin sicher, ich rieche Muffins in der Nachmittagsluft. Ich schließe daraus, daß sie für uns zum Tee gebacken werden. Wollen Sie diesem Indiz nachgehen und sich vergewissern, ob Ihre Augen die Ahnungen meiner Nase bestätigen können?«
    Doch ich brauchte meinen Platz gar nicht zu verlassen. Denn als ich in Richtung Eßzimmer blickte, hörte ich ein Geräusch, und gleich darauf kam Jane herausgeschwebt und brachte wie ein schwer beladenes Schiff das, was die Franzosen thé complet nennen, was aber, wenn ich dies eine Mal provinziell sein darf, nur wir Engländer wirklich zu bereiten wissen. Milium und ich erhoben uns, um ihr Sachen abzunehmen, und es war so viel, daß wir alle drei daran zu tragen hatten. Denn begleitet wurden die Muffins, die Mr. M. erschnuppert hatte, von einem Teller mit exzellentem lockerem Gebäck und – auf einem vornehmen Tablett – von einem ebenso guten schweren Teekuchen.
    »Der Nachmittagstee«, verkündete Mr. Mycroft, als ich jedem von uns eine Tasse eingeschenkt hatte, ein feiner Oolong, der nur um so stärker duftete, als er aus feinem Spode getrunken wurde, »der Nachmittagstee ist die geselligste aller Mahlzeiten. Er verschafft uns Wohlbefinden, wie jede Mahlzeit, doch da er die leichteste aller Mahlzeiten ist«, und er nahm sich ein Muffin und warf einen anerkennenden Blick auf den Kuchen, »bleibt der Verstand unbeschwert. Und für den Engländer ist der Tee von ganz besonderer Bedeutung, weil er diese sanfteste aller stimulierenden Drogen zur Wirkung gelangen läßt, um sich zu entspannen.«
    Keine Frage, Chinatee regte den Meister stets zu Höchstleistungen an, doch für mich, der ich ja nur noch zuzuhören brauchte, sah ich keinen Grund, die nahrhafteren Aspekte der Mahlzeit zugunsten der flüssigen zu

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