Das Geheimnis der Hebamme
ein Herrengut in Christiansdorf einrichten lassen und Randolf als Vogt einsetzen.«
Marthe sank in sich zusammen. Randolf als Vogt in Christiansdorf!
Welches Unheil würde nun über sie und Christian, über Marie und Johanna, Emma, Bertha und all die anderen hereinbrechen?
»Ich habe hierbei keinen Einfluss mehr auf Otto. Ich kann nichts für Christian tun«, fuhr Hedwig fort. »Aber er muss davon erfahren. Lauf zu Raimund. Er soll sofort aufbrechen und seinen Freund suchen. Christian muss so schnell wie möglich zurück in sein Dorf reiten.«
Hedwig holte tief Luft. »Vielleicht setze ich ihn großer Gefahr aus. Vielleicht wäre es klüger, ihn weit weg zu wissen und die beiden nicht im Dunklen Wald aufeinander treffen zu lassen. Aber wenn Christian euer Dorf gegen Randolf behaupten will, muss er dort sein, bevor der eintrifft.«
Mit einem gequälten Lächeln nickte sie Marthe zu. »Ich werde sagen, dass ich Raimund mit der Nachricht von Sophias Geburt zu meinem Vater geschickt habe. Und nun lauf!«
Randolfs Einzug
Mit einer stattlichen Zahl bewaffneter Männer war Randolf aufgebrochen. Er plante, das Dorf mit einem eindrucksvollenAuftritt zu überrumpeln. Niemand ahnte etwas von seinem Kommen, Christian steckte gerade irgendwo auf der Strecke vom Harz zum Dunkelwald, um eine weitere Horde zerlumpter Bergleute zu holen.
Genüsslich dachte er an seinen ersten Besuch in Christiansdorf – damals, als er sich dieses Mädchen geholt hatte, das Christian dauernd mit sich führte. Die Erinnerung daran, wie sie sich vor Todesangst und Schmerz schreiend unter ihm wand, ließ Lust in ihm aufsteigen.
Ein grimmiges Lächeln zog über sein Gesicht. Er würde das Dorf des Rivalen unter seine Herrschaft zwingen, noch ehe dieser ahnte, was vor sich ging. Wenn Christian dann auftauchte und begriff, was geschehen war, würde er ihn aus dem Weg räumen. Und dann war die Schmach getilgt, die dieser Bastard ihm bereitet hatte und die wie ein Stachel in seinem Fleisch saß.
In Gedanken sah er bereits die Dorfbewohner angstschlotternd vor sich knien. Die Frauen waren ihm ausgeliefert – ein weiterer Vorzug, der Christians Ohnmacht zeigen und seinen eigenen Sieg vollkommen machen würde.
Beim Hoftag in Würzburg hatte ihm diese kleine Hexe doch tatsächlich stummen Widerstand geleistet. Aber diese Zeiten waren vorbei. Hier, in dem entlegenen Walddorf, konnte er ganz anders mit ihr umspringen als unter den Augen des halben Hofstaates. Vor zwei Tagen hatte Hedwig sie nach Hause geschickt, dessen hatte er sich vergewissert.
Er könnte sie in Ketten legen lassen und sie sich gefügig machen, bis er ihrer überdrüssig war. Oder sie gleich bei der Ankunft vor aller Augen nehmen, damit das Bauernpack Respekt vor seinem neuen Herrn bekam.
Randolf fühlte, wie sein Glied hart wurde. So konnte er nicht weiterreiten. Er befahl eine Rast.
Sie hatten Zeit. Er würde die Vorfreude auf seinen baldigen Triumph noch etwas länger auskosten.
In voller Rüstung ritt Randolf an der Spitze seines Zuges ins Dorf ein. Kettenhemd und Helm ließen ihn noch Furcht erregender erscheinen, als er ohnehin durch seine Größe, das gewaltige Pferd und die schweren Waffen war. Dichtauf folgten ihm eine Hand voll Ritter, der künftige Verwalter, ein dicker, verlebter Mann, dessen winzige Augen unruhig hin und her wanderten, und ein Dutzend bewaffneter Knechte.
Randolf hatte die erste Kate noch nicht einmal erreicht, als er erstarrte. Sein Pferd reagierte auf die abrupte Bewegung des Reiters und wollte steigen. Nur mit Mühe brachte er es wieder unter Kontrolle.
Vor ihm stand Christian im Kettenhemd, mit gegürtetem Schwert, die Rechte locker am Heft, und versperrte ihm den Weg. An seiner Seite war ein Geistlicher, dicht hinter den beiden hatten sich Richard und Gero aufgebaut.
Wie war das möglich? Sollte Christian nicht weit weg sein?
Und einen Pfaffen durfte er nicht einfach niederreiten. Wütend brachte er sein Pferd zum Stehen und blickte sich um. Die Bauern, deren furchtsamen Kniefall er erwartet hatte, standen in einigem Abstand und starrten finster auf ihn und seine Leute, von Frauen und Kindern war nichts zu sehen. Linker Hand hatte sich eine Gruppe Bergleute um einen Mann in respektabler Kleidung geschart, der selbst ein Schwert trug, offenbar ihr Anführer.
»Was führt dich in mein Dorf, Randolf?«, fragte Christian mit lauter Stimme.
Das brachte Randolf wieder zu sich. Schnell fand er zu seiner gewohnten Machtpose zurück. Wenn
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