Das Geheimnis der Heiligen Stadt
»Hugo hat einfach nur Mariusâ wirre Geschichte wiederholt, die er bei seiner Ankunft erzählt hat.«
»Hugo und er müssen sich eine ganze Menge erzählt haben, bevor Marius starb. Und es erklärt auch, weshalb Hugo sich so eifrig bereit erklärte, bei Marius in meinem Zimmer zu warten.«
»Aber du hast gesagt, es war dieser andere Mönch â der kahle Bruder Alain â, der Dunstans Tod wie einen Mord und nicht wie einen Selbstmord aussehen lieë, sagte Roger. »Was hatten sich Hugo und Marius also zu erzählen?«
Geoffrey dachte nach und schaute zu, wie Roger mit einem der Dolche herumspielte. »Alain wollte Dunstans Selbstmord wie einen Mord aussehen lassen, um den beliebten Marius zu schützen. Aber damit erreichte er genau das Gegenteil. Marius muss angenommen haben, dass Dunstan ermordet wurde wegen dem, was er über die Morde an Guido, John und den Mönchen wusste â und Dunstan wusste ganz gewiss mehr, als er für Tankred niedergeschrieben hatte, denn er nutzte sein Wissen, um den Mörder zu erpressen. Dunstans und Mariusâ Untersuchung blieb nur aus einem Grund so erfolglos: Sie kannten den Mörder von Anfang an. Oder vielleicht haben sie alles herausgefunden und sich überreden lassen, mit dem Täter gemeinsame Sache zu machen. Also ist Marius aus dem Palast geflohen und kam auÃer sich vor Angst in die Zitadelle. Denn er nahm an, Dunstan wäre wegen seines Wissens gestorben und er könnte der Nächste sein.«
»Und Hugo sprach mit Marius, um ihn in Sicherheit zu wiegen«, ergänzte Roger. »Dann erstach er den Mönch, denn dessen Flucht hierher â angeblich zu dir, in Wahrheit aber zu Hugo â war eine Gefahr für ihn. Und Hugo ist nicht der Mann, der seine Pläne von verängstigten Mönchen in Gefahr bringen lässt.«
Damit hatte Roger ebenfalls Recht. Hugo hatte etwas Rücksichtsloses an sich und hätte ohne Skrupel einen zaudernden Mönch beseitigt, wenn dieser seinem Erfolg im Wege stand. Während einer Patrouille in der Wüste hatte Geoffrey einmal erlebt, wie Hugo ein kleines Kind tötete, damit es nicht schrie und ihr Versteck verriet. Sie hatten später heftig über diesen Vorfall gestritten.
Roger holte tief Luft. »Was für eine üble Sache. Er war unser Freund. Was sollen wir nun tun?«
Geoffrey setzte sich auf dem Bett zurück und versuchte nachzudenken. Von allen Rittern der Zitadelle war Hugo der letzte, den er für den Mörder gehalten hätte. Sie waren seit mehr als drei Jahren befreundet und hatten einander bei so vielen Gelegenheiten das Leben gerettet, dass Geoffrey sich kaum an alle erinnern konnte. Und Geoffrey hatte sehr viel mehr mit dem gebildeten, intelligenten Hugo gemeinsam als mit dem unwissenden, geistig trägen Roger.
Er stellte fest, dass ihm die Hände zitterten, und er fühlte sich schwach und krank. Vielleicht gab es eine andere Erklärung für all das. Vielleicht hatte Courrances die Beute aus Hugos Truhe genommen und die Dolche dort hineingelegt, genau wie irgendwer â ebenfalls Courrances, ohne Zweifel â versucht hatte, Roger mit einer toten Hure im Bett auffinden zu lassen.
»Auf gehtâs, Geoff«, sagte Roger und erhob sich unvermittelt. »Wenn dein Verstand dich schon im Stich lässt, so funktioniert wenigstens meiner noch. Es ist klar, wohin wir als Nächstes gehen müssen. Hugo glaubt, dass Bruder Salvatoris Schriftrolle in Akiras Haus versteckt ist. Dort kann er eine ganze Weile suchen, denn ganz offensichtlich haben wir sie ja hier. Wenn wir uns beeilen, ertappen wir ihn vielleicht noch auf frischer Tat. Und wer weiÃ, womöglich können wir ihn zur Vernunft bringen.«
Es hatte keinen Sinn, zu Akiras Laden zu reiten. Die StraÃen in diesem Teil der Stadt waren zu schmal, und ein schwerfälliger Wagen oder ein sturer Reiter reichte aus, um ein Durchkommen unmöglich zu machen. In leichter Rüstung â ein Kettenhemd mit einer Lederhose â brach Geoffrey zu Fuà auf. Er war zuversichtlich, dass er schneller rennen konnte als Hugo reiten. Wie die meisten Ritter ging Hugo nie zu FuÃ, wenn er ein Pferd nehmen konnte.
Roger zerrte an dem Riegel vor dem Tor, während Geoffrey besorgt dabeistand.
»Ein kleiner Spaziergang?«, fragte eine samtweiche Stimme an seiner Schulter. Geoffrey bemerkte, dass Courrances
ihr Treiben sorgsam beobachtete und mit
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